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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die indeß noch nicht hinreichte, den Weg genügend zu erhellen, so daß man denselben nach der vom Compaß angezeigten Richtung mit Merkzeichen versehen mußte. Zu dem Ende ging Bell voraus, Hatteras folgte ihm in gerader Linie, und Simpson nebst dem Doctor Letzterem, so daß Hatteras den Erstgenannten verdeckte, wobei sie sich zwar fortwährend gegenseitig die Richtungslinie bezeichneten, und trotzdem manchmal um dreißig bis vierzig Grad von derselben abwichen.
     

    Natürlich mußte nun die Bezeichnung des Weges von vorn angefangen werden.
    Am 15. Januar, einem Sonntage, schätzte Hatteras den nach Süden zurückgelegten Weg auf hundert Meilen; der Vormittag wurde zur nöthigen Reparatur an Kleidungsstücken und Lagergeräthen verwendet, doch auch ein kurzer Gottesdienst nicht vergessen.
    Zu Mittag nahm man die Reise wieder auf; die Temperatur war sehr niedrig, das Thermometer zeigte zweiunddreißig Grad unter Null (– 36° hunderttheilig) bei ganz hellem Himmel.
    Plötzlich stieg aus dem Boden, ohne irgend erklärlichen Grund, ein vollkommen gefrorener Nebel; er stieg bis auf eine Höhe von vierundzwanzig Fuß; man konnte dabei kaum die Hand vor den Augen sehen; mit spitzen Eisnadeln überzog dieser gefrorene Dampf die Kleider der Reisenden.
    Erstaunt über diese unerwartete Erscheinung von Rauchfrost suchten Jene sich sogleich aneinander zu schließen, und die Rufe:
    »Heda! Simpson!
    – Bell! Hierher!
    – Herr Clawbonny!
    – Doctor!
    – Kapitän! Wo stecken Sie?« erschollen durcheinander.
    Mit ausgestreckten Armen suchten sich die vier Reisegenossen in dem dichten Nebel, der für die Augen vollkommen undurchdringlich war. Aber leider kam keine Antwort mehr zurück, es schien, als ob jener Dampf unfähig sei, die Schallwellen fortzupflanzen.
    Jedem kam unwillkürlich der Gedanke, durch Flintenschüsse ein Signal abzugeben. Wenn aber der Schall der menschlichen Stimme vorhin zu schwach erschienen war, so waren nun die Detonationen der Feuerwaffen zu stark, denn sie riefen ein Echo wach, das in allen Richtungen wiedertönte und dadurch ein so wirres Geräusch erzeugte, daß man eine bestimmte Richtung nicht herauszuhören vermochte.
     

    (S. 226.)
     
    Jeder war also nur auf sich allein angewiesen. Hatteras blieb mit gekreuzten Armen ruhig stehen, das Weitere abzuwarten. Simpson begnügte sich, seinen Schlitten anzuhalten. Bell suchte, mit den Händen nach seinen Fußspuren tastend, wieder zurückzukehren. Der Doctor, sich an Eisstücken stoßend, fiel nieder, erhob sich wieder, ging nach rechts und nach links, kreuzte den Weg mehrfach, und verirrte sich immer mehr und mehr.
    »Das kann doch nicht so fortgehen! sagte er sich nach einigen Minuten. Wahrlich, ein sonderbares Klima das, und mit etwas zuviel Ueberraschungen! Auf nichts kann man sich hier verlassen, – und von den spitzen Eiskrystallen, die einem das Gesicht zerreißen, noch ganz abgesehen! Halloh! Kapitän!« rief er von Neuem aus Leibeskräften.
    Aber keine Antwort wurde hörbar; für jeden Fall lud er sein Gewehr von Neuem, aber trotz der dicken Handschuhe starrte ihm von der brennenden Kälte des Laufs die Hand. Noch damit beschäftigt, erblickte er unklar eine formlose Masse, die sich einige Schritte vor ihm bewegte.
    »Endlich! rief er erfreut, Hatteras! Bell! Simpson! Seid Ihr’s? Gebt Antwort?«
    Statt derselben ließ sich nur ein tiefes Brummen hören.
    »Hoho! Was wird denn das?« dachte der gute Doctor.
    Die Masse näherte sich langsam; ihre ersten scheinbaren Umrisse schrumpften zusammen und wurden deutlicher. Ein erschreckender Gedanke stieg im Doctor auf.
    »Ein Bär!« sagte er zu sich selbst.
    In der That, es war ein Bär von enormer Größe; auch er schien im Nebel verirrt, tappte hin und her, vor-und rückwärts, immer nahe daran, auf die Reisenden zu stoßen, deren Anwesenheit er sicher nicht vermuthete.
    »Das wird hübsch!« dachte der Doctor, der sich unbeweglich still verhielt.
    Bald fühlte er fast den Athem des Thieres, das sich gleich darauf auch wieder im Rauchfrost verlor; bald sah er dessen ungeheure Tatzen die Luft peitschen, wobei es ihm sogar so nahe kam, daß seine Kleidung mehrfach von den scharfen Krallen zerrissen wurde; da zog er sich vorsichtig zurück und sogleich zerfloß die sich bewegende Masse in dem Nebel gleich einer Phantasmagorie.
    Als er sich aber zurückzog, bemerkte der Doctor, wie der Boden unter seinen Füßen aufstieg; mit den Händen nachhelfend, indem er sich an hervorstehende Eiszacken

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