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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Erdkugel wandern?
    – Das ist wohl möglich, versetzte der Doctor, doch wer kann das wissen?
    – Jedenfalls wollen wir die Zeit nicht mit fruchtlosen Forschungen darüber verlieren, erwiderte der Kapitän; mich drängt es, mein Schiff wieder in Stand zu setzen, selbst wenn dieses so gewünschte Brennmaterial uns auch mangeln sollte.
    – Darüber bin ich ganz ruhig, meinte der Doctor.
    – Ich that Unrecht, sagte Hatteras nicht selten, den Forward zu verlassen. Ein Kapitän gehört an Bord seines Fahrzeugs und nicht anders wohin.
    – Johnson ist ja dort.
    – Ja wohl! Aber doch, eilen wir! Eilen wir!«
    Das Gefährt bewegte sich rasch, immer hörte man Simpson die Hunde antreiben; in Folge einer wunderbaren Phosphorescenz liefen diese wie auf brennendem Boden und die Kufen des Schlittens wirbelten einen Staub leuchtender Funken auf. Den Doctor trieb es, den Grund dieser Erscheinung am Schnee zu untersuchen, doch plötzlich, als er einen Spitzberg ersteigen wollte, verschwand er den Blicken der Anderen. Bell, der ihm am nächsten war, eilte sogleich zur Hilfe herbei.
    »Hollah, Herr Clawbonny, wo stecken Sie? rief er ängstlich, während Hatteras und Simpson dazu kamen.
    – Doctor! wiederholte auch der Kapitän.
    – Hier unten, in einem Loche, tönte beruhigend seine Stimme zurück, laßt mir ein Seil herab, und ich steige wieder auf die Erdoberfläche empor.«
    Man ließ dem Doctor, der in einem zehn Fuß tiefen hohlen Trichter verschwunden war, ein Seil hinab, das Jener sich mitten um den Leib befestigte, und so wurde er von den Anderen nicht ohne Mühe emporgezogen.
    »Sind Sie verwundet? fragte Hatteras.
    – Behüte Gott! Es hatte keine Gefahr für mich, antwortete der Doctor, der von seiner freundlichen Gestalt den Schnee abschüttelte.
    – Aber wie kam das überhaupt?
    – Die Strahlenbrechung war daran Schuld! erwiderte er lachend, immer die verwünschte Strahlenbrechung! Ich glaubte einen Raum von einem Fuß Breite zu überschreiten und rutschte in ein Loch von zehn Fuß Tiefe! O, über die Illusionen des Sehvermögens! Das sind die einzigen Illusionen, die mir blieben, Ihr Freunde, und die werd’ ich schwerlich los werden. Laßt es Euch zur Lehre dienen und thut keinen Schritt, ohne den Boden geprüft zu haben, denn auf seine Sinne allein darf man sich nicht verlassen; hier hören die Ohren verkehrt und die Augen sehen falsch!
    – Können wir den Weg fortsetzen? fragte der Kapitän.
    – Gewiß, Hatteras, nur vorwärts! Der kleine Unfall hat mir mehr genützt, als geschadet.«
    Wieder wurde die Richtung nach Süd-Ost aufgenommen, und erst am Abend, nachdem sie im ganzen fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt hatten, machten die Reisenden Halt; Alle waren tüchtig müde, den Doctor aber hinderte das nicht, während das Eishaus gebaut wurde, noch einen Eisberg zu erklettern.
    Es war fast Vollmond. In wunderbarem Scheine glänzte er an dem klaren Himmel; leuchtende Strahlen schossen die Sterne herab; vom Gipfel des Eisberges schweifte der Blick über eine ungeheure Ebene, die mit kleinen Hügeln von fremdartiger Form übersäet war. Wenn man sie so zerstreut liegen sah, wie sie im Mondschein erglänzten, und sich ihre scharfen Formen von den benachbarten Schatten abhoben, einmal emporstrebenden Säulen, das anderemal darniederliegenden Säulenschäften, dann wieder Grabsteinen nicht unähnlich, dann hätte man einen ungeheuren, baumlosen Kirchhof vor sich zu haben geglaubt, der traurig, schweigend und endlos wohl zwanzig Generationen, die den ewigen Schlaf schlummerten, umschloß.
    Trotz Kälte und Müdigkeit gab sich der Doctor lange seinen stummen Betrachtungen hin, von denen ihn seine Genossen nur mit Mühe abbringen konnten, aber man mußte an die Nachtruhe denken; die Schneehütte war fertig; bald verkrochen sich die Reisenden wie Maulwürfe darin und überließen sich dem nothwendigen Schlafe.
    Der nächste und die folgenden Tage gingen ohne ein bemerkenswerthes Ereigniß vorüber; leicht oder schwierig, schnell oder langsam ging die Reise vorwärts je nach den Launen der Witterung, die manchmal rauh und kalt, manchmal feucht und dann desto empfindlicher war. Je nach der Natur des Bodens mußte man sich einmal der Mocassins, ein andermal der Stiefeln bedienen.
    So erreichte man den 15. Januar; der Mond, der jetzt im letzten Viertel stand, war nur kurze Zeit sichtbar; dagegen verbreitete die Sonne, obwohl sie noch immer unter dem Horizonte blieb, doch während sechs Stunden eine gewisse Dämmerung,

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