Reisetagebuecher
Plakat gehalten. Vorbeifahren an einem kleinen Terassengasthaus. Gehobener Arm eines Gastes. Wien. Dumme Unsicherheiten, die ich schließlich alle respektiere. Hotel Matschakerhof. 2 Zimmer mit einem Zugang. Wähle das Vordere. Unerträgliche Wirtschaft. Muß mit P. noch auf die Gasse. Laufe angeblich zu sehr, laufe noch stärker. Windige Luft. Erkenne alles Vergessene wieder. Schlechter Schlaf. Voll Sorgen. Ein widerlicher Traum (Malek). (Die Frage des Tagebuches ist gleichzeitig die Frage des Ganzen, enthält alle Unmöglichkeiten des Ganzen. In der Eisenbahn berlegte ich es unter dem Gespräch mit P. Es ist unmöglich, alles zu sagen und es ist unmöglich, nicht alles zu sagen. Unmöglich die Freiheit zu bewahren, unmöglich sie nicht zu bewahren. Unmöglich das einzig mögliche Leben zu führen, nämlich beisammen leben, jeder frei, jeder für sich, weder äußerlich noch wirklich verheiratet sein, nur beisammen sein und damit den letzten möglichen Schritt ber Männerfreundschaft hinaus getan haben, ganz knapp an die mir gesetzte Grenze, wo sich schon der Fuß aufrichtet. Aber auch das ist eben unmöglich. Letzte Woche fiel mir das einmal vormittag als Ausweg ein, ich wollte es nachmittag schreiben. Nachmittag bekam ich eine Biographie Grillparzers. Er hat das getan, gerade das. (Eben betrachtet ein Herr den Theophil Hansen, ich sitze wie seine Klio) Aber wie unerträglich, sündhaft, widerlich war dieses Leben und doch gerade noch so, wie ich es vielleicht unter größern Leiden, als er, denn ich bin viel schwächer in manchem, zustandebrächte. (Später noch darauf zurückkommen - Traum) Abend noch Lise Weltsch getroffen.
7/IX (1913) Widerwillen vor P. Ein sehr braver Mensch im Ganzen. Hat immer eine kleine unangenehme Lücke in seinem Wesen gehabt und gerade aus dieser kriecht er, wenn man jetzt dauernd zuschaut, in seiner Gänze heraus.
Früh im Parlament. Vorher im Residenzkafe Eintrittskarten zum Zionistenkongreß von Lise W.
geholt. Zu Ehrenstein gefahren. Ottakring. Mit seinen Gedichten weiß ich nicht viel anzufangen.
(Ich bin sehr unruhig und infolgedessen auch ein wenig unwahr und das, weil ich dieses nicht für mich allein schreibe) In der Thalisia mit beiden. Mit ihnen und Lise W. im Prater. Mitleid und Langweile. Sie kommt nach Berlin ins zionistische Büreau. Klagt über die Sentimentalität ihrer Familie, windet sich doch nur wie eine festgenagelte Schlange. Ihr ist nicht zu helfen. Mitgefühl mit solchen Mädchen (auf irgendeinem Umweg über mich) ist vielleicht mein stärkstes sociales Gefühl. Photographieren, Schießen, "Ein Tag im Urwalde" Caroussel (wie sie hilflos oben sitzt, das sich bauschende Kleid, gut gemacht, elend getragen).
Mit ihrem Vater im Praterkaffee. Gondelteich. Unaufhörliche Kopfschmerzen. Die W. gehn zu Monna Vanna. Liege 10 Stunden im Bette, schlafe 5. Verzicht auf die Teaterkarte.
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8. (September 1913) Zionistischer Kongreß. Der Typus kleiner runder Köpfe, fester Wangen. Der Arbeiterdelegierte aus Palästina, ewiges Geschrei. Tochter Herzls. Der frühere Gymnasialdirektor von Jaffa. Aufrecht auf einer Treppenstufe, verwischter Bart, bewegter Rock. Ergebnislose deutsche Reden, viel hebräisch, Hauptarbeit in den kleinen Sitzungen. Lise W. läßt sich vom Ganzen nur mitschleppen, ohne dabei zu sein, wirft Papierkügelchen in den Saal, trostlos. Frau Thein.
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