Reiterhof Birkenhain 06 - Rettung in letzter Minute
verhieß, was Grabowski betraf.
Ihren Spitznamen Mücke hatte Conny weg, weil sie eine überzeugte Tierschützerin war. Nicht dem winzigsten Lebewesen konnte sie etwas antun. Sogar Mücken, Raupen und Spinnen fanden in ihr eine Schutzpatronin. »Keine Panik, Mücke«, flüsterte Jule aus ihrer Kapuze.
»Mein Vater jagt unseren Maulwurf im Garten schon seit Ostern und kriegt ihn auch nicht. Bleib cool.«
Herr Jensen war schon ein Stück voraus, aber man konnte ihn noch knurren hören: »Wenn ich den erwische ...«
Dann stapfte er mit Ankum über den schweren Sandweg zum Hof hinauf. Jetzt wollte er erst mal frühstücken.
»Na, ihr Regenwürmer, habt ihr euch nasse Füße geholt?«
Bastian konnte sich eine kleine Stichelei nicht verkneifen, als seine Reiterfreundinnen tropfend in der Stallgasse erschienen. Die Kapuzen flogen herunter und Conny und Jule schüttelten ihre Haare zurecht.
»Du hast es nötig.« Jule lachte. »Wasserscheu wie eine Katze und dann noch lästern. Hättest lieber ein Foto von Sally auf der nassen Wiese machen sollen, statt schlaue Sprüche abzusondem.«
Der hoch aufgeschossene 14-Jährige hob seine Reitweste an und klopfte auf die Kamera, die darunter hing. »Schon erledigt, Regenwurm.«
»Glück gehabt.« Jule stupste Bastian im Vorbeigehen mit dem Ellenbogen an und schob sich mit Sally vorsichtig an ihm vorbei. Der Boden war rutschig. Alles im Stall wirkte klamm. Die Reiter trugen mit ihren Stiefeln und Jacken immer neue Feuchtigkeit herein, da konnte man noch so oft wischen. Selbst das Lederzeug der Pferde war aufgequollen, die Riemen ließen sich nur noch mit Mühe verschnallen.
Nachdem die drei nassen Pferde abgerubbelt waren und wieder im trockenen Stroh standen, gesellten Conny und Jule sich zu Bastian, der seinen alten Pferdefreund King Louis in der Stallgasse zum Putzen angebunden hatte.
Jule kraulte dessen Nasenrücken. »Na, was meinst du, King Louis, bekommen wir Hochwasser?«
Der hellbraune Wallach, Boss der Herde, schien einen siebten Sinn für Krisen zu haben. Wenn auf dem Reiterhof etwas im Busch war, beobachtete er stundenlang die Stallgasse und ließ niemanden aus den Augen.
Der Hellbraune spitzte die Ohren und sah aufmerksam an Jule vorbei. Sie drehte sich um. Wen hatte der King erspäht?
Eine Feuerwehruniform tauchte am Ende der Stallgasse auf. Schwere Stiefel dröhnten über den Boden. Eilig zogen die Pferde die Köpfe zurück, die sie neugierig durch die Stäbe gesteckt hatten. Die schwarze Uniform mit den Leuchtstreifen und dem gelben Helm war ihnen unheimlich. Sogar King Louis machte einen Schritt zur Seite.
»Wo brennt's denn?«, fragte Jule und wollte sich ausschütten vor Lachen über ihren Scherz. »Habt ihr bei Regen keinen Zwangsurlaub, Benno?«
»Sehr witzig, Jule Ahrend«, sagte der Feuerwehrmann und gab ihr eine freundschaftliche Kopfnuss. Benno war ein guter Bekannter im Stall. Der Friese Brinkum gehörte ihm. In Uniform tauchte Benno jedoch normalerweise nicht hier auf.
Er schüttelte den Kopf.
»Von wegen Urlaub. Was glaubst du, wie viele Keller wir seit Tagen auspumpen? In der Umgebung des Lott-bachs steht alles unter Wasser.«
»Dann hat Herr Jensen am Ende doch Recht?« Jule ließ sich auf einen Strohballen fallen. »Dass hier bald Land unter ist?«
Der Feuerwehrmann kratzte sich an der Schläfe, genauer gesagt am Helm.
»Der Lottbach steigt zu schnell. Das hatten wir noch nie. Es war ein Fehler, dass sie das Flussbett begradigt haben. Außerdem - letztes Jahr gab es ja noch die Wiesen.« Benno meinte die Überschwemmungswiesen auf der anderen Seite des Lottbachs. Wenn das Flüsschen in den Jahren zuvor über die Ufer trat, lief das Wasser ins Gras, versickerte dort und nichts passierte. Nun war das Grün verschwunden, asphaltiert für Parkplätze.
Wütend ballte Conny die Faust.
»Ich weiß. Mein Vater, also seine Umweltgruppe, die wollte verhindern, dass da gebaut wird.«
Sie zuckte die Achseln. »Hat aber nicht geklappt, weil dieser Makler Markmann ... «
Warum die Umweltgruppe gescheitert war, erfuhren die anderen nicht. Denn in diesem Moment passierten zwei Dinge gleichzeitig: Bennos Handy klingelte und ein zehnjähriges Mädchen fegte mit wehenden schwarzen Haaren in die Stallgasse, beide Hände in ihre linke Seite gepresst. Es war Luisa Steffen, ihre gemeinsame Reiterfreundin.
Offensichtlich wollte sie schnell etwas loswerden, aber ihr Atem rasselte dermaßen, dass sie kein Wort herausbrachte.
»Seitenstiche«, presste
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