Reiterhof Birkenhain 07 - Raetsel um das braune Fohlen
und zerknittert schloss Kai Jensens Sallys Boxentür. Er reckte die Arme und griff sich dann an die Wirbelsäule. »Noch ein paar Nächte und ich bin ein Wrack. Ein Hexenschuss fehlte mir gerade noch.« »Mann! Das gibt es doch nicht.«
Enttäuscht japste Jule nach Luft und ließ ihr Fahrrad einfach auf den Hof fallen. Jensens »Nein« wirkte wie eine kalte Dusche! Noch vor der ersten Schulstunde war sie zum Stall gerast! Heute Nacht hatten alle fest mit dem Fohlen gerechnet.
Sally steckte ihren braunen Kopf aus der Box und begrüßte Jule mit einem lautlosen Wiehern. Nur ihre Nüstern vibrierten ein bisschen.
»Mäuschen, wie lange sollen wir denn noch warten?« Jule rieb ihren Kopf an Sallys Backen. Garantiert würden alle in ihrer Klasse nachher sagen: »Du riechst wieder nach Pferd.« Egal. Backenschmusen mit Mäuschen
war das Größte. Die Enttäuschung war vergessen. Jule schmolz regelrecht dahin. »Ist sie nicht süß?«
Herr Jensen verzog das Gesicht.
»Wirklich, sehr süß, deine Stute. Treibt sich mit fremden Kerlen herum und ich kann es ausbaden«, knurrte er. Klar, er freute sich auch auf das Fohlen. Aber nicht auf die ständige Geburtswache.
Seit Tagen schlug er sich die Nächte um die Ohren. Neben Sallys Box lag er auf einer viel zu weichen Campingliege. Die Quittung waren Rückenschmerzen. Und dann dieses angestrengte Wachbleiben. Pferde bekommen ihre Fohlen praktisch im Galopp. Ruck, zuck, in zwanzig oder dreißig Minuten. Das heißt - bei Problemen muss man ganz schnell eingreifen. Nicht auszudenken, wenn er gerade dann eingenickt wäre.
»Am Wochenende muss ein Ersatzmann ran«, sagte Herr Jensen und warf Sally einen Arm voll Heu über die Türkante. »Beides kann ich nicht - nachts wachen und tagsüber Stallarbeit. Mit einem Hexenschuss bin ich als Geburtshelfer wertlos. Zu dumm, dass Axel Rakete keine Zeit hat.«
Axel Rakete, sein junger Reitlehrerassistent, jobbte bei ihm, um sich sein Studium zu verdienen.
Jules Ohren wurden plötzlich ganz lang. Hatte sie richtig gehört? Herr Jensen suchte einen Ersatzwachdienst?
Ihr Herz machte einen Sprung. Ihre Chance! Sie würde Nachtwache halten. Hier auf seiner Campingliege.
Wenn sie Glück hatte, kam das Fohlen in dieser Nacht. Nur sie und Sally würden es miterleben.
Nein, das verwarf sie gleich wieder. Draußen übernachten - das erlaubten ihre Eltern nie. Jensen auch nicht. Bestimmt würde er ihr vorkauen, dass sie erst zwölf sei und er die Verantwortung habe und .. .
Vielleicht mit Bastian? Der war schon 14. Nein, mit dem erst recht nicht. Nachts mit einem Jungen allein im Stall -Großmoorstedt würde Amok laufen.
Mit steifem Rücken hob Herr Jensen Jules Fahrrad auf und drückte ihr den Lenker in die Hand.
»Nun aber los, Mädchen«, sagte er und fing an die Boxen auszumisten. »Ab in die Schule.«
»Ich hätte da eine Idee, Herr Jensen.« Jule vermied es, ihn direkt anzusehen. »Wäre auch gut für Ihren Rücken.«
»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen.«
»Sie wissen ja gar nicht, was ich mir überlegt habe.« »Du willst heute Nacht hier auf meinem Campingbett liegen. Und Sallys Fohlen ohne mich auf die Welt bringen. Vergiss es!«
Unwillig drehte Jule ihr Fahrrad um. Ärgerlich, dass er sie so schnell durchschaute.
Mit einer vorsichtigen Drehung, um seinen Rücken zu schonen, warf Jensen Pferdeäpfel aus Deichgrafs Box in eine Schubkarre.
»Draußen schlafen - das läuft nicht«, war sein letztes Wort und dann musste Jule wirklich los.
In der Schule spukte den ganzen Morgen das Wort »Nachtwache« in Jules Kopf herum. In Englisch und Mathe wurde sie immer wieder durch ihre Lehrer beim Nachdenken gestört. Erst im Physiksaal hatte sie Ruhe. Frau Behrens, ihre Physiklehrerin, hängte Zeichnungen von Raketen auf. Das dauerte. Jules Gedanken trabten zu Sally und zu der Nachtwache.
Unauffällig zog sie den Taschenkalender von Dr. Teichmüller aus dem Rucksack und studierte die rot einge-kringelten Zahlen. Zum zehnten Mal an diesem Morgen. Das Rote waren die Tage, an denen Sally bei ihrem Traumhengst gewesen war.
Gedankenverloren stützte Jule den Kopf auf. Mit einem Kugelschreiber malte sie die Schrift am Kalenderrand nach. Abels klasse Caravans - windschnittige Wohnwagen zu windschnittigen Preisen.
Von weitem drangen Satzfetzen an Jules Ohr. Von »Raketen«, »Antrieb« und »Raumanzügen«.
»Was brauchen die Astronauten für den Flug ins Weltall, Julia Ahrend?«
Geistesabwesend hob Jule den Blick. In Gedanken war
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