Rendezvous mit Mr Darcy
angenommen, eher in etwas – Matronenhafteres – gesteckt zu werden.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie eine Tochter haben. Wie fühlt sie sich, jetzt, da ihre Mom so weit weg ist?«
Chloe war noch ganz im Anblick des Kleides versunken, sie hatte schon eine ganze Weile keinen so tiefen Ausschnitt mehr getragen. »Hm, sie hat auf dem Bewerbungsvideo sogar ihr eigenes Plädoyer für mich gehalten, so sehr unterstützt sie mich.«
Sie hatten beim Filmen des Videos, zusammen mit Chloes einziger Angestellten, Emma, sehr viel Spaß gehabt. Chloe hatte dabei ein handgenähtes Kleid im Regency-Stil getragen, in einer Pferdekutsche auf der Michigan Avenue gesessen, Kaffee aus einem weißen Pappbecher getrunken und das Elend einer modernen Janeite beklagt.
Doch die Fragen, die ihr Emma währenddessen stellte, hatten irgendwie dazu geführt, dass Chloe in eine Schimpftirade über Männer ausgebrochen war. Sie hatte sich darüber beschwert, dass diese, während sie gerade mit einer Frau ausgingen, anderen Frauen eine SMS schrieben, eine Beziehung über Twitter beendeten, Baseballkappen für modisch hielten und Sportereignisse bis ins kleinste Detail schildern könnten, jedoch nicht im Stande wären, einen Liebesbrief zu schreiben.
»Ich erinnere mich, dass Abby sagte, ›Mom, du musst gehen. Wer sonst besitzt schon eine vollständige Sammlung von Kaffeebechern mit der Aufschrift Ich liebe Mr Darcy, Mr Knightly, Mr Tilney und so weiter? Sie ist bei meinen Eltern. Ich bin mir sicher, sie werden sie nach Kräften verwöhnen, obwohl sie nur von einer Rente leben.«
Fiona verschränkte ihre Arme über der Brust. »Weshalb sind Sie wirklich hier, Miss Parker?« Sie blieb in der Tür stehen.
»Ich bin ein ganz großer Fan von Jane Austen. Aber ehrlich gesagt bin ich wegen des Preisgeldes hier. Und wegen der großartigen Reklame für mein kriselndes Geschäft. Ich stehe kurz vor der Pleite. Mein Exmann zahlt nur wenig Unterhalt, und Abby ist eine begabte Schülerin. Ich habe schon vor langer Zeit beschlossen, alles zu tun, um ihr die beste Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Du machst dir keine Vorstellung, wie schwer es war, ihr den Besuch ihrer jetzigen Schule zu ermöglichen, und wenn wir umziehen müssen …«
Fiona schien dies nicht sonderlich zu beeindrucken.
»Weißt du, ich passe nicht in das moderne Amerika, aber vor Abigail liegt eine brillante Zukunft. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich eine Tochter wie die ›Ma‹ in Unsere kleine Farm , die all diese futuristischen, modernen Dinge mag. Aber ich würde alles für sie tun. Alles.«
»Weiß sie, dass Sie nur wegen des Geldes hier sind?«
»Ich bin nicht nur wegen des Geldes hier.«
»Weswegen denn dann?«
»Um den knackigen jungen Männern in ihren engen Reithosen aus Wildleder nachzuschauen.« Fiona erwiderte Chloes Zwinkern mit einem Lächeln.
»Ich bin natürlich hier, um eine tolle Erfahrung zu machen! Auch wenn Abigail dem großen Irrglauben unterliegt, ich würde hier meinen Mr Soundso treffen.« Chloe lachte.
Fiona verzog keine Miene. »Und was glauben Sie?«
Der Gedanke war Chloe zwar schon gekommen, doch hatte sie ihn, wie es sich für eine Dame des Regency gehörte, verdrängt, selbst nachdem man ihr als Muster die Biografie eines der Mitwirkenden, eines gewissen Mr Wrightman, zugeschickt hatte. Dieser Mann schien wirklich eine Klasse für sich zu sein – Studium in Oxford, Kunst- und Architekturkenner mit Vorliebe für Reisen in alle Welt –, alles sehr interessant, mit Ausnahme seines lächerlichen Künstlernamens.
»Sie sind nicht hierhergekommen, um einen Mann kennenzulernen?«, fragte Fiona und spann den Faden des Gesprächs weiter, den Chloe aufgenommen hatte.
»Ich finde, man sollte nicht davon ausgehen, eine Frau wäre, nur weil sie ins Ausland reist, automatisch auf ein Liebesabenteuer aus«, erklärte Chloe. »Ich bin hierhergekommen, um für diese Dokumentation in den Kleidern der damaligen Zeit das Regency mit allen Sinnen aufzunehmen und es zu leben. Und um mit meinem Wissen über die Romane von Jane Austen zu punkten und den Preis zu gewinnen.«
»Natürlich.« Fiona drehte sich um und führte Chloe in das Zimmer.
Chloe hatte bereits sämtliche Arten von Einverständniserklärungen für diese Dokumentation unterzeichnet und eine Reihe von Befragungen sowie medizinischen und psychologischen Tests über sich ergehen lassen müssen. Und jetzt begann auch noch ihr eigenes Dienstmädchen bohrende Fragen nach einem Mann zu
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