Rendezvous mit Übermorgen
zieht...«
Der ungehemmte Ausbruch von auffällig demonstriertem Aufwand und globaler Gier dauerte knapp zwei Jahre. Das hektische Besitzstreben nach allem, was dem menschlichen Hirn an Konsumgütern nur einfallen konnte, überlagerte eine geschwächte ökonomische Infrastruktur, die bereits Anfang 2130 dem Zusammenbruch zuneigte, als das erste ramanische Raumfahrzeug das innere Sonnensystem durchquerte. Die drohende Rezession ließ sich über 2130/31 dank kombinierter Anstrengungen und Manipulationen der Regierungen und Finanzinstitute etwas hinauszögern, aber nirgendwo ging man die fundamentalen ökonomischen Schwachpunkte wirklich an. Mit einem erneuten Kaufboom Anfang 2132 stürzte sich die Welt unmittelbar in eine neuerliche Periode rapiden Wachstums. Produktionskapazitäten wurden erweitert, Aktienkurse stiegen explosiv an, stabiles Verbraucherverhalten und Vollbeschäftigung erreichten eine nie zuvor gehabte Spitze. Es herrschte eine nie da gewesene Prosperität, deren kurzfristiges aber signifikantes Ergebnis eine allgemeine Verbesserung des Lebensstandards für fast die ganze Menschheit war.
Gegen Ende 2133 war es für ein paar gründlicher geschulte Beobachter der menschlichen Entwicklungsgeschichte offensichtlich, dass der »Rama-Boom« die Menschheit in die Katastrophe führen werde. Über dem euphorischen Jubelgeschrei der Millionen, die gerade eben den Saltosprung in die mittlere und gehobene Gesellschaftsklasse geschafft hatten, erhoben sich beschwörende Kassandrastimmen, die vor der drohenden Wirtschaftsdämmerung warnten. Vorschläge für den Ausgleich von Budgets und eine umfassende Kreditbeschränkung in sämtlichen Wirtschaftsbereichen wurden ignoriert. Stattdessen wandte man Kreativenergie auf, um immer neue Methoden zu entwickeln, um immer mehr Kaufkraft in die Hände von Bevölkerungsgruppen zu legen, die verlernt hatten, »Wart mal« oder gar »Nein« zu ihren eigenen Wünschen zu sagen.
Im Januar 2134 begann der Aktienmarkt weltweit abzubröckeln, und es gab Prognosen auf einen kommenden Crash. Aber für die Mehrzahl der über den Erdball und in den verstreuten Kolonien des Sonnensystems angesiedelten Menschen lag die Vorstellung eines derartigen Börsenkrachs außerhalb ihres Begriffsvermögens. Schließlich hatte die Weltwirtschaft ja während der vergangenen neun Jahre expandiert, und in den verflossenen zwei Jahren sogar in einem Tempo, wie es in den letzten zweihundert Jahren nicht seinesgleichen gehabt hatte. Die Lenker und Führer der Welt versicherten hartnäckig, sie hätten endlich die Mechanismen entdeckt, durch die sich der Konjunkturrückgang des Kapitalumlaufs wirklich verhindern ließe. Und die Völker der Erde glaubten ihnen - bis Anfang Mai 2134.
In den ersten drei Monaten des Jahres sackte der Weltmarkt erbarmungslos ab, anfangs langsam, dann aber in drastischen Sprüngen. Viele waren von abergläubischen Vorstellungen über Kometen beherrscht, wie dies seit über zweitausend Jahren für die Menschheit typisch war, und brachten irgendwie die Schwierigkeiten auf dem Börsenmarkt in Verbindung zur Wiederkehr des Halleyschen Kometen. Als dieser dann Anfang März erschien, erwies er sich als weitaus heller, als irgendjemand erwartet hatte. Wochenlang wetteiferten Wissenschaftler rund um den Globus miteinander, um Erklärungen zu liefern, warum er so sehr viel heller aufgetreten sei, als man das ursprünglich vorhergesagt hatte. Nachdem er Ende März sein Perihel passiert hatte und Mitte April am abendlichen Himmel auftauchte, erfüllte sein enormer Schweif das Erdfirmament.
Unten, auf der Erde, beherrschte dagegen die Weltwirtschaftskrise, die gerade begann, sämtliche irdischen Belange. Am 1. Mai 2134 erklärten drei der bedeutendsten internationalen Banken auf Grund geplatzter Kreditgeschäfte ihre Insolvenz. In zwei Tagen hatte sich eine Panikreaktion rund um den Globus ausgebreitet. Von über einer Milliarde PC-Terminals mit Anschluss an die globalen Finanzmärkte gingen Verkaufsorders für Einzelportefeuilles von Aktien und Obligationen aus. Die Kommunikationsbelastung für das Global Network System war enorm. Die Datenübermittlung des GNS wurde weit über ihre Kapazität hinaus strapaziert. Datenspeicherstaus verzögerten die Transaktionen minuten-, dann stundenlang, was die allgemeine Panik zusätzlich steigerte.
Als die Woche zu Ende ging, war zweierlei klar: Mehr als die Hälfte der Aktienwerte der Welt war Asche, und unzählige kleine und größere Anleger
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