Rettungskreuzer Ikarus Band 010 - Aufstand der Toten
genug ablief. Er stand bereit, das Seine zu tun, wenn es an der
Zeit war.
Noch nicht.
Aber bald.
3.
Der Schritt in die Vereinzelung verband Ekstase mit Schmerz. Als sich die gedanklichen
Finger der Lokalen Hierarchie aus dem Geist Za6teks herauswanden und sein Teil
am Gesamten autonomisiert wurde, war das süße Gefühl der individuellen
Existenz wie immer untrennbar mit der Sehnsucht nach der Rückkehr in die
Hierarchie verbunden. Doch, genauso wie Za6tek ein Individuum war, war er Bestandteil
des Ganzen, und alles, was er als Individuum tat und dachte und erfuhr, wurde
zum Ganzen nach erneuter Vereinigung.
Aber jetzt, da die lange Reise sich ihrem Ende näherte, war individuelle
Erfahrung für die Lokale Hierarchie notwendig, nicht zuletzt deswegen,
weil die letzten Vereinzelungen viele Zeitabschnitte zurücklagen und viele
der damals gemachten Erfahrungen nach der Großen Katastrophe noch nicht
den Weg ins Nexoversum gefunden hatten.
Wie immer war die erste Orientierung schwierig. Das sanfte Murmeln des Schiffes
erfüllte weiterhin Za6teks Gedanken, und er löste die Verbindung nicht.
Die in ihn strömenden Daten konnte er als Vereinzelter nicht verarbeiten,
doch das Gefühl der Verbindung mit dem Schiffsbewusstsein half ihm, die
Autonomie herzustellen und die Abnabelung von der Hierarchie besser zu verkraften.
Das kleine Raumschiff war, so vergewisserte sich Za6tek durch einen Blick auf
die optischen Kontrollen, völlig unspektakulär aus dem Hyperraum gefallen.
Es wäre einem zufälligen Beobachter nicht einmal richtig aufgefallen,
denn die schwarz marmorierte Außenhaut des haifischförmigen Schiffes
hob sich so gut wie gar nicht vom dahinter liegenden Universum ab. Das System,
in dem das Fahrzeug zum Zwecke der Orientierung angekommen war, bestand nur
aus einer fahlblauen Sonne und einigen toten Trabanten, weitab jeder Zivilisation;
ein verlassener Ort, der wahrscheinlich nie die Aufmerksamkeit von Händlern,
Forschern oder Abenteurern erwecken würde. Auch die jetzigen Besucher interessierte
das System nicht, sie setzten nur den Kurs für die nächste Etappe
im Hyperraum, diejenige, die sie schließlich ganz in die Nähe der
Seer'Tak-Anomalie führen würde.
Za6tek blickte hinüber zur Gestalt von Te3mok, dem Kommandanten, der diese
Funktion immer dann ausfüllte, wenn die individuelle Autonomie geboten
war. Te3moks halb stoffliche, halb energetische Gestalt saß zuckend in
dem Sessel vor den Hauptkontrollen. Das gleißende Blitzen der Schiff-Person-Verbindung
war deutlich zu erkennen. Te3mok orientierte sich ebenfalls noch, doch im Gegensatz
zu Za6tek musste er parallel den gesamten Schiffstatus überwachen. Die
Reise war lang, sehr lang gewesen. Die Technologie der Hierarchie war eigentlich
für solche Entfernungen nicht ausgelegt.
Doch die Versuche der Hierarchie, das Tor vom Nexoversum aus wieder in Gang
zu bringen, waren allesamt gescheitert. Und so hatte man beschlossen, konventionellere
Wege der Fortbewegung zu wählen. Diese dauerten sehr lang – das Schiff
war rund ein Jahr unterwegs gewesen –, waren dafür aber sicher. Die
alten Tore waren zu lange inaktiv gewesen, so dass die Steuerimpulse aus der
Hierarchie die Anlagen nicht mehr hatten aktivieren können. Za6tek blieb
ungerührt angesichts dieser Notwendigkeiten, denn er war nur vereinzelt,
und als Einzelner konnte er nur wenig begreifen oder einschätzen. Im Netz
allein war er als Teil der Hierarchie in der Lage, Erkenntnis zu erlangen. Doch
die Autonomie ermöglichte es der Hierarchie, Dinge von vielen Seiten zu
betrachten. Da der Gegner im Regelfalle aus Vereinzelten bestand, war es sinnvoll,
seine Perspektive zu kennen. Die Hierarchie konnte ohne regelmäßigen
Zerfall in Individualität nicht überleben, wenngleich der Schmerz
für Autonome wie Za6tek groß war und die Sehnsucht oft noch größer.
Za6teks Blick fiel auf die Statusanzeige. Die Lokale Hierarchie bestand aus
23 Komponenten und dem Schiffsbewusstsein, davon waren 16 in Stasis. Die Nahrungsvorräte
waren fast aufgebraucht, und daher hatten unerhebliche Teile der Hierarchie,
die keinen Nutzen für die Durchführung des Fluges hatten, stillgelegt
werden müssen. Te3mok würde die Aktivierungssequenz einleiten, sobald
das Schiff kurz vor dem letzten Austritt aus dem Hyperraum stand, so dass die
gesamte Besatzung vollständig einsatzbereit war, wenn man die
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