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Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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aufzusuchen. Die große Prozession endete mit dem Pahall, dem
größten und mächtigsten aller Segen. Wer jetzt ein Anliegen
hatte, sicherte sich einen Platz in dem Ritual, eine Möglichkeit, die jedem,
unabhängig von Alter und Ansehen, offen stand. Zu Uhuls Zeiten war jedenfalls
noch nie jemand zurückgewiesen worden.
    Auf das Audienzzimmer folgte der Segensraum, ebenfalls leer, und durch eine
schmale Tür ging es in den eigentlichen Privatbereich des Kirchenoberhauptes.
Hier war die Einrichtung nicht ganz so einfach, aber auch nicht üppig.
Prior Jukun war niemand, der sich mit allzu viel Luxus umgab, ein Umstand, der
Uhul recht sympathisch war. Der Vorgänger Jukuns war weniger zurückhaltend
in der Nutzung der Kirchengüter gewesen.
    »Uhul, bist du das?«
    »Herr, ich bin hier.«
    Eine der Nebenwirkungen der letzten Lebensphase eines männlichen Raliden
war eine rapide Verschlechterung der Sehkraft. Jukun würde noch einige
Jahre Mann bleiben, vielleicht sogar noch bis zur nächsten Großen
Prozession. Doch bereits beim anstehenden Ritual würde Uhul seinem Prior
behutsam und diskret bei der Orientierung helfen müssen. Natürlich
wusste jeder Ralide ganz genau, dass Jukun ein alter Mann war. Doch es gehörte
zum Nimbus eines Priors, den Problemen gewöhnlicher Wesen zumindest etwas
entrückt zu sein. Uhul wusste aus Gesprächen mit ihm, dass dieser
das auch als eher lästig empfand – doch gerade der Prior musste bisweilen
den stillschweigenden Erwartungen seiner Gläubigen entsprechen.
    »Herr, die Vorsteherin des Staubhauses entbietet Euch ihre Grüße.
Sie lässt Euch ausrichten, dass sie Eurem Besuch mit Interesse und Demut
entgegen sieht.«
    Sobald der Prior die Transformation zur Frau vollzogen haben würde, war
ein zweimonatiger Besuch im Staubhaus ihre Pflicht. Dort würde ihn die
Vorsteherin in die Geheimnisse der Frauenrituale einweihen, die zu kennen für
sein ... ihr neues Leben unumgänglich war.
    »Herr, der Staub liegt bereit«, erklärte Uhul nun, da Jukun nicht
antwortete. »Man wird die Staubdienerinnen entsenden, sobald Ihr zur Prozession
ruft.«
    »Dann ist alles vorbereitet«, stellte der Prior fest. »Du wirst
morgen aufbrechen und den Weg erkunden?«
    »Ich werde Tokal mitnehmen, der Novize muss lernen.«
    »Weise, Uhul«, bestätigte Jukun. Uhuls Mission war wichtig, um
sicherzustellen, dass der Weg zum Wüstenheiligtum für die Gläubigen
begehbar war.
    »Ich habe alle Vorbereitungen getroffen.«
    »Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Für wie viele Pilger ist
Staub bereitet?«
    Uhul hatte die Frage erwartet. Aus seinem weiten Gewand holte er die Papierrolle,
die ihm die Vorsteherin gegeben hatte. Jukun nahm sie mit einem ergebenen Stöhnen
entgegen. Uhul durfte sie weder öffnen noch lesen. Nachrichten zwischen
der Vorsteherin und dem Prior waren sakrosankt. Obgleich Uhul Jukuns höchster
Diener war – und damit sehr hohes Ansehen genoss –, gab es Grenzen
für ihn. In diesem Falle war das irrelevant, denn während seines Gesprächs
mit der Vorsteherin hatte er einen Blick auf die vorbereiteten Staubbeutel werfen
können. Sie würden ausreichen, um die übliche Zahl an Pilgern
mit Staub zu versorgen. Nichts anderes würde, in die formelhafte Kirchensprache
gekleidet, der Inhalt des Briefes sein.
    Jukun entrollte das Papier, hielt es in das Licht einer Wunderlampe und rückte
sein Echtauge zurecht, da sein Augenmuskel bereits erschlafft war. Er las schweigend,
ließ den Brief mit einem Grunzen sinken, dann richtete er das Auge auf
Uhul.
    »Melde dich, wenn du zurückgekehrt bist.«
    Das war gleichzeitig die Aufforderung zu gehen. Uhul verneigte sich und verließ
den Raum.
    Vor dem Haus wartete Tokal auf ihn. Der Novize war der vielversprechendste der
Anwärter, mit einem von schweigsamer Effizienz geprägten Charakter.
Uhul sah großes Potential in ihm, vielleicht würde der junge Ralide
einmal seine Nachfolge antreten. Sobald Uhuls Zeit zur Verwandlung gekommen
war, würde er seinen Dienst für die Kirche beenden. Das war sein gutes
Recht und nicht unüblich. Uhul würde sich als Handwerkerin niederlassen,
das hatte er sich fest vorgenommen, und er wollte einige Ideen ausprobieren,
die er bei der Betrachtung der Residenz des Priors gewonnen hatte.
    »Tokal, du hast deine Sachen gepackt?«, fragte Uhul anstatt einer
Begrüßung. Novizen wurden nie mit besonderer Höflichkeit

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