Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Stein.
    »Ich habe dem, was Bruder Priss gesagt hat, etwas hinzuzufügen. Nur
eine Kleinigkeit, die mir sogar entfallen ist, als ich an dem Morgen nach dem
schrecklichen Fund des Toten Bericht erstattet habe.« Er erhielt keine
Antwort – vermutlich sprach er gerade in eine Nachrichtenbox. Wer wusste
schon, über welche komplizierten Wege die Berichte letztlich ihr Ziel erreichen
würden. In unsicheren Zeiten wurden Umwege zu den beliebtesten Straßen
von Verschwörern. Und waren sie das nicht, Verschwörer? Was für
ein sonderbarer Gedanke.
    »Diese ... Kleinigkeit«, fuhr er fort, als Bruder Priss ihn nicht
unterbrach, »lässt mich daran zweifeln, ob es wirklich Asiano und
seine Fedayin waren, die den Mord verübt haben. Denn ich sah von dem Hof
im frühsten Morgengrauen eine Gestalt weggehen, die sich seltsam bewegte.
Es war kein Mensch, da bin ich mir sicher, und auch sonst keine Rasse, die wir
hier in der Hauptkirche unter den Brüdern und Schwestern haben. Was, wenn
das der Mörder war, der sich davon machte, nachdem er den Toten so ausdrucksvoll
in den Hof gelegt hatte? Was, wenn die Verletzungen auf dem Körper des
Jungen nicht von einer Waffe herrührten, sondern von Krallen? Was also,
wenn der Mörder nicht innerhalb der Kirche zu suchen ist, sondern von außerhalb
kam? Wer hat ihn hierher in das Zentrum der Kirche geholt und es ihm auch ermöglicht,
unerkannt wieder zu gehen? Was, wenn es das Ziel war, Prior Asiano in Verdacht
zu bringen, indem sich jemand den Disput seiner Fedayin mit den Schülern
zu Nutzen machte? Wozu wäre das gut? Was, wenn ...«
    Es kostete ihn mehr Kraft, den nächsten Satz auszusprechen, als er gedacht
hatte, und das obwohl er ihn in der Nacht so oft still in seiner Kammer geübt
hatte. Bruder Alfar musste einmal durchatmen und noch einmal ansetzen. Der Satz
war das Messer, mit dem er die Banden seiner Loyalität durchschnitt.
    »Was, wenn sich in Wirklichkeit zwei Wölfe darum gestritten haben,
wer die Schafe der Herde reißen darf?«
    Danach schwieg er, bis Bruder Priss die Verbindung zur Halle der Stimmen unterbrach.
    In der Stille hörte Bruder Alfar den Sturm in sich heulen. Er machte ihm
genauso viel Angst wie früher.
    Aber er würde sich nicht mehr davor verstecken.
     
ENDE
     

 
30 Ausgaben »Rettungskreuzer Ikarus«
     
    Liebe Leserinnen und Leser,
     
    mit dem vorliegenden Band halten Sie die 30. Episode unserer Serie »Rettungskreuzer
Ikarus« in Händen. Wir haben uns erst überlegt, ob wir diesen
Anlass für besondere Aktivitäten nutzen sollten, sind dann aber zu
dem Schluss gekommen, unsere Energie schlicht darauf zu konzentrieren, die nächsten
30 Romane anzugehen.
    Als diese Serie im Januar 2000 gestartet wurde, hätte keiner der Beteiligten
wirklich damit gerechnet, einmal so viele Romane vorlegen zu können. Neben
den Sammelbänden und den Sonderbänden ist das Ikarus-Universum noch
um Hörspiele und Modellbaufiguren gewachsen. Doch das Wichtigste ist und
bleibt der jeweils neueste Roman.
    Für die Zukunft haben wir uns daher so einiges vorgenommen. Nicht nur,
dass sicher der Outsider-Zyklus langsam aber sicher dem Ende zuneigt und die
Planungen für die Handlung danach bereits in vollem Gange sind, auch die
Aufmachung und der Umfang der Serie werden sich verändern. Ab Band 31 präsentieren
wir ein neues Titellayout, und mit dem neuen Zyklus werden wir auch generell
noch umfangreichere Romane vorlegen, um unseren Leserinnen und Lesern noch mehr
Text – fürs gleiche Geld – anbieten zu können.
    All dies ist natürlich nur möglich, wenn Sie uns und unserer Serie
weiterhin die Treue halten. Dann gibt es eigentlich keinen Grund anzunehmen,
dass »Rettungskreuzer Ikarus« nicht noch weitere 30 oder gar noch
mehr Romane schaffen kann.
    An uns soll es jedenfalls nicht liegen!
     
    Dirk van den Boom , für das ganze Autorenteam
    Saarbrücken, März 2007