Rettungskreuzer Ikarus Band 032 - Vor der großen Stille
atemberaubender relativistischer Geschwindigkeit heraneilenden
Outsiderschiffe dem kleinen, panisch davoneilenden Kreuzer keine besondere Aufmerksamkeit
schenken würden.
Zumindest diese eine Hoffnung schien sich zu erfüllen. Die Ikarus katapultierte sich senkrecht zur Ekliptik aus dem Sonnensystem heraus, während
die Outsiderschwärme wie hungrige Wölfe über die völlig
überforderte Systemverteidigung herfielen. Sentenza konnte seine Blicke
nicht von dem Schauspiel abwenden, das sich in so bestechender Klarheit auf
den Schirmen und Projektionen abzeichnete, obgleich er sich nichts sehnlicher
wünschte. Systemschiffe zerplatzten wie Seifenblasen, Wachstationen gingen
in den Gluten der Energiewaffen unter, und er sah Adlaten sterben, die sich
todesmutig den Angreifern entgegen warfen.
Es war nicht so, dass die Verteidiger völlig ineffektiv waren – hin
und wieder waren treibende Outsiderwracks deutlich zu erkennen, wenn sie durch
die Wucht einer Explosion auf einer Tangente weit vom Kampfgeschehen fortgeschleudert
wurden. Aber die Übermacht dieses Angriffes war so groß, so erdrückend,
dass die Erfolge der Verteidiger fast nicht sichtbar wurden. Ein Höllenszenario,
und nicht zuletzt deswegen so bedrückend, weil Vortex Outpost beinahe das
gleiche Schicksal erlitten hätte.
Immerhin, und das war deutlich zu erkennen, die Ikarus war nicht das
einzige Schiff, das sein Heil in der Flucht suchte. Sentenza erkannte eine Reihe
von kleinen Frachtern und Transportern, die im Geleitschutz kleiner Wachboote
von Ephalus aufstiegen, meist von der der Schlacht abgewandten Seite, und ebenfalls
wie die Ikarus danach wild beschleunigten, um der Katastrophe zu entkommen.
Der Captain konnte nicht mehr im Einzelnen erkennen, ob und welchen der flüchtenden
Schiffe es gelang, denn plötzlich verschleierte sich die Darstellung und
die wabernde Fremdheit des Hyperraums legte sich um den flüchtenden Rettungskreuzer.
Sentenza seufzte und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen.
Sie hatten Überlichtgeschwindigkeit erreicht und nach allem, was sie bisher
wussten, waren sie damit vorläufig in Sicherheit. Sentenza ertappte sich
dabei, wie er noch einige Minuten auf die nunmehr ereignislosen Schirme starrte,
dann schüttelte er die Lähmung ab, die ihn befallen hatte und er übergab
Trooid mit einem Kopfnicken das Kommando. Niemand löcherte ihn mit Bemerkungen
oder Fragen, und dafür war er ausgesprochen dankbar. Schweigsam verließ
er die Zentrale, müde und ausgelaugt. Als er die Kabine betrat, die er
sich zusammen mit Sonja DiMersi teilte, und sein Bett erblickte, fühlte
er die Erschöpfung fast wie einen körperlichen Schmerz. Er zog noch
umständlich seine Arbeitsmontur aus, ehe er sich niederlegte, und war eingeschlafen,
sobald sein Kopf das Kissen berührte.
Gul schulterte die armlange Waffe, nachdem er das Magazin überprüft
hatte. Er warf einen Blick in die Runde. Von den 46 Soldaten seiner Leibgarde
waren noch 12 am Leben, drei davon verletzt. Sie alle machten einen heruntergekommenen
und abgerissenen Eindruck, aber bei keinem erkannte Gul so etwas wie die Bereitschaft,
den Kampf aufzugeben und sich den Outsidern auszuliefern. Seit die Aliens vor
drei Tagen Ephalus erobert und mit Landeaktivitäten begonnen hatten, kämpften
versprengte Einheiten der imperialen Armee einen ebenso blutigen wie aussichtslosen
Kampf gegen die bizarren Invasoren. Sie verloren an allen Fronten. Jene, die
nicht PSI-stabilisiert waren oder entsprechende Schutzhelme trugen, fielen dem
seltsamen Hilfsvolk der Outsider zum Opfer, blauhäutigen Humanoiden mit
beeindruckenden paranormalen Kräften. Andere starben im Bodenkampf, trotz
ihrer oft hervorragenden Ausrüstung, denn die Outsider waren fast unverwundbar
und nur mit erheblichem Aufwand zu töten.
Doch es gab keine Alternative. Wer aufgab und sich dem Feind auslieferte, sah
einem weitaus entsetzlicherem Schicksal als dem Tod entgegen. Von seinen zwölf
Männern waren sieben über 35 Jahre alt, sie würden sofort enthirnt
und in den Nahrungszyklus der Outsider aufgenommen werden. Den Jüngeren
fehlten vielleicht zwei oder drei Jahre bis zum Erreichen dieser Altersgrenze,
und man würde sie freilassen, sicher, aber sobald sie dieses Alter ebenfalls
erreichten, war ihr Schicksal besiegelt. Guls Hoffnung lag nun allein auf der
geheimen Konstruktion in der Forschungsbasis, deren
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