Rettungskreuzer Ikarus Band 034 - Die Verschwörer
Sie waren als Beobachter dort. Keiner
von ihnen hätte sich in die Sache einmischen müssen. Trotzdem haben
Sie es getan, freiwillig, und ihr Leben riskiert. Für sie gab es nichts
zu gewinnen, nichts Wesentliches jedenfalls. Sie haben uns unterstützt,
weil sie es wollten. Weil sie wie wir das große Bild sehen.«
»Und wer ist wir ?« Mit einem Mal war Sentenzas schlechte Laune
wie weggeblasen. Er legte seine Arme um Sonjas Taille.
»Du, ich, die Crew der Ikarus und viele andere. Nicht das ganze
Raumcorps, auch nicht jeder unserer Verbündeten, aber viele Leute, deren
Namen wir größtenteils nicht kennen und nie erfahren werden und die
alles geben, um die Outsider und die Kollaborateure unter Joran zu besiegen.
Und die alle hoffen, dass diese Allianz zu mehr nütze ist als nur zum Kampf
gegen einen gemeinsamen Feind.«
Sentenza zog Sonja näher und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust. »Ich
wünschte, dass du Recht hast«, murmelte er. »Hoffentlich überschätzt
du die Menschen nicht. Du magst uns alle, auch Cornelius und Pakcheon, richtig
beurteilen, aber wir sind wenige. Und wir müssen uns ausnahmslos nach Befehlen
richten, die nicht immer sinnvoll sind. Leider. Wenn wenigstens alle am gleichen
Strang gegen die Outsider ziehen würden, wäre bereits viel gewonnen.
Was danach kommt – wenn es ein Danach gibt –, wird uns beschäftigen,
wenn es soweit ist.«
Sonjas Hände strichen sanft über sein graumeliertes Haar. Waren die
Silberfäden mehr geworden in den vergangenen Wochen? »Was willst du
denn unternehmen wegen Pakcheon?«
»Ich werde ihn aufsuchen und ihm einige sehr neugierige Fragen stellen,
sofern er das zulässt.«
»Du gehst davon aus, dass das Gespräch zu nichts führen wird.«
»Genau.«
»Und was weiter?«
»Das hängt ganz von ihm ab. Allerdings bezweifle ich, dass er mir
auch nur irgendetwas verraten wird. Manchmal glaube ich, dass wir Leuten
wie ihm und Cornelius mehr Vertrauen entgegen bringen als sie uns.«
»Warum ist das so?« Sonja beugte sich herab und drückte ihre
Nase in das Haar ihres Mannes. Es duftete herb ... und angenehm nach ihm.
»Weil wir keine andere Wahl haben? Weil sie sich besser verkaufen können
als wir? Weil wir gutgläubig sind und es einfach nur möchten?«
»Zumindest Cornelius setzt keine Pheromone ein ...«
»Das hätte uns gerade noch gefehlt!«
Sonja lachte. Dann wurde sie übergangslos ernst. »Ich war vorhin bei
Freddy.«
Sogleich meldete sich Sentenzas schlechtes Gewissen.
Er hatte dem Verdruss, der von Pakcheons unerwartet kühlem Auftritt ausgelöst
worden war, Vorrang gegenüber der Frage nach dem Kind eingeräumt.
Außerdem besuchte er den gemeinsamen Sohn nicht annähernd so oft
wie Sonja. In jeder freien Minute schaute sie nach ihm. Viermal am Tag. Oder
häufiger? Obwohl Sonja und Freddy das Wichtigste auf der Welt für
ihn waren, wusste er es nicht. Er war gestern zuletzt bei dem Kleinen gewesen.
War er ein Catzigvater, weil er sich so oft von seiner Arbeit konsumieren ließ?
Sentenza wünschte, er hätte mehr Zeit für seine Familie. Vielleicht
... wenn die Gefahr gebannt war. Wenn.
»Wie geht es ihm?«
Ein leises Seufzen war die Antwort. Das hieß: Unverändert. Was sollte sich auch für ein Baby ändern, das sich in einem Stasisfeld
befand?
»Sonja, du weißt, ich würde immer mit dir zu Freddy gehen, wenn
nicht -«
»Wenn dir nicht der Dienstplan ständig in die Quere käme. Natürlich.
Ich mache dir auch keine Vorwürfe. Manchmal ...« Sonja nagte an ihrer
Unterlippe, »manchmal frage ich mich, ob die Entscheidung richtig war.
Er fehlt mir. Ich hätte ihn gern ... auf natürliche Weise geboren.
Bin ich jetzt eine Catzigmutter, weil ich ihn nicht austrage und sogar verhindere,
dass er an dem Tag zur Welt kommt, den er sich selber ausgesucht hätte?«
»Natürlich nicht.« Sentenza streichelte ihre Hände. »Du
bist keine Catzigmutter, aber ich bin ein Catzigvater ... und ein Catziggatte,
weil ich mich so wenig um euch beide kümmere.«
»Sag das nicht, Rod. Wir haben beide gewusst, dass es nicht einfach für
uns werden würde. Armer Freddy. Er ist noch nicht einmal geboren und muss
schon so viel durchmachen. Wenn wir ihm wenigstens ... dieses ... grausame ...
Schicksal ...«
Ihre Stimme brach, und Tränen rannen über ihre Wangen. Sentenza konnte
Sonja nur fest an sich drücken.
Die Zeitreise, von der sie gerade erst zurückgekehrt
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