Rettungskreuzer Ikarus Band 049 - Schritt vor dem Abgrund
»Unterschätzen Sie Connar und die anderen nicht. Wenn sie etwas begonnen haben, werden sie es auch zu Ende bringen. Gerade jetzt, mit Fräulein Miyazaki.«
»Und Sie?« Er hatte wohl bemerkt, wie Jerr sich ausgeklammert hatte.
»Ich bedaure es, wenn unsere Reise früher endet.«
»Das tun die anderen sicher auch.«
»Ah, ja. Aber es gibt einen Unterschied.« Das Lächeln kehrte zurück, aber es fand nicht den Weg in ihre Augen. »Die wollen nirgendwo hin. Aber ich möchte von etwas weg.«
Sir Albert schwieg einen Moment, dann nickte er und erhob sich.
»Ich gehe Herrn Montegue suchen«, sagte er und verließ die Zentrale.
Captain Hellermann würde den Anblick nie vergessen.
Die Mannschaftsmitglieder der Eusebian in ihrem Gefängnis zu sehen, wie sie Kreise zogen oder selbstvergessen still in den Ecken saßen, brannte sich mehr in seine Erinnerung als alle Beispiele für das Wirken des Wanderlustvirus, die er bisher hatte ertragen müssen. Es war das Unwirkliche, das der Situation anhaftete, der Blick durch die Fenster auf Leute, die eigentlich so gewesen waren wie er und seine Crew, die aber nun … unmenschlich wirkten. Als wäre ihnen etwas abgenommen worden, was er mit Menschlichkeit verband. Die Individualität, das persönliche Streben, die Eigenarten. Sie schienen ihm am ehesten wie Insekten, die mit unnatürlicher Gelassenheit auf ein Signal warteten, um alle Energien auf ein einziges Ziel zu richten. Auszubrechen und dem Drang zu folgen, den sie verspürten. Um Handlanger für ein Volk zu werden, das lange verloren war.
»Machen sie je etwas anderes?«
»Als zu schlafen, zu essen oder umherzulaufen? Nein. Nicht mehr, seitdem sie alle Ausbruchsversuche eingestellt haben.«
»Hat es dabei Verletzte gegeben?«
»Ja, einige, aber keine Toten. Wir konnten die Verletzungen nicht behandeln, weil wir Fathia natürlich nicht in die Sperrzone schicken wollten. Aber sie sind alle von selber geheilt, obwohl es keine Kleinigkeiten waren. Jetzt machen die da drin nichts anderes mehr, als auf eine Chance zu warten, und wir hier draußen kümmern uns darum, dass sie keine kriegen und versorgt werden.«
Lovis3 war nervös und wusste, dass man es ihr ansah. Es war das erste Mal, dass ihre mühsam präsentierte Selbstsicherheit Sprünge zeigte. Aber sie schaffte es nicht, Captain Sagel zu sehen – oder das, was von ihm übrig war –, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Immerhin hatte sie bis vor wenigen Minuten einen anderen Captain mit Waffen bedrohen lassen. Und sie war drauf und dran, ein echt bizarr aussehendes Alien eine neue Wundermedizin an ihm ausprobieren zu lassen.
»Wieso muss es denn ausgerechnet der Captain sein?«, hatte Gordon sie gerade gefragt, nachdem sie der Mannschaft den neuen Plan unterbreitet hatte.
»Weil er es so gewollt hätte. Wen würdest du denn nehmen? Deinen Chemielehrer?«
Es war eine böse Spitze, denn jeder wusste, wie sehr Gordon den Mann hasste.
»Wenn es schiefgeht, ist es wenigstens kein Verlust.«
»Siehst du, Gordon, und das ist der Unterschied. Ich gehe nicht davon aus, dass es schiefgeht. Ich rechne damit, dass es klappt. Und dann werden wir den Captain brauchen.«
»Ja, er wird so einiges wieder geradebiegen müssen«, stimmte er ihr zu. Hinter den schlichten Worten lauerte eine zufriedene Gehässigkeit, die erst im Nachsatz ganz an die Oberfläche kam. »Bin mir allerdings nicht sicher, ob er deinen Kopf retten kann. Oder den von deinem Bent.«
Sie hatte Gordon ohne eine Erwiderung stehen lassen. Das sah nach einer überlegenen Geste aus, aber im Grunde stimmte Lovis3 ihm zu. Sie wusste auch nicht, ob Sagel sie hier raushauen konnte. Piraterie war kein Kavaliersdelikt, und natürlich würde alles auffliegen, sobald jemand sich die Logbücher der Eusebian genauer ansah oder die Ladelisten verglich. Sie waren effektiv gewesen vor dem Zwischenfall. Nur in diesem Fall wurde Effektivität ganz sicher nicht mit guten Noten belohnt.
»Wie genau wird das jetzt passieren?«, fragte sie den Tumanen, der neben ihr aufragte.
Es war ein bisschen, als ob sie mit einem Schrank sprach, doch die Stimme, die ihr antwortete, war freundlich und angenehm.
»Wir müssen Captain Sagel isolieren und betäuben. Es ist einfacher für uns und sicherer für ihn.«
»Und dann?«
»Werde ich ihm das Serum injizieren, und wir müssen abwarten. Einen Tag. Vielleicht
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