Rettungslos
doch!«
Sie hält den Finger hoch, um Lisa auf das Sirenengeheul in der Ferne aufmerksam zu machen.
»Der lebt noch!« Vorsichtig beugt Lisa sich über ihn.
Plötzlich stöhnt Kreuger und versucht, sich aufzusetzen. Sein Blick fällt auf Lisa, er stöÃt ein bösartiges Knurren aus und will sie packen.
Mit einem Schrei weicht sie zurück und greift nach der Brechstange, mit der Senta sie befreit hat.
Inzwischen hat Kreuger sich aufgerichtet und taumelt, eine Hand an sein Auge gedrückt, auf sie zu.
Als er die Stange sieht, bleibt er stehen und starrt Lisa an. Sie hält seinem Blick stand. Vor ihrem inneren Auge ziehen die Ereignisse der letzten Tage vorbei: Sie durchlebt noch einmal die Angst, als er in ihr Haus eindrang und sie zu Boden schlug, sieht sein rot angelaufenes Gesicht, als er sie in ihrem eigenen Bett vergewaltigte, und sich selbst in völlig desolatem Zustand vor der Kloschüssel.
Und schlieÃlich denkt sie an Menno, an die Liebe in seinen Augen, bevor sie brachen.
Ihre schlummernde Wut beginnt zu brodeln, kocht in ihr hoch und lässt Rachegelüste aufflammen. Lisa hat ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle, ihre geballte Wut bricht sich Bahn.
Ihr Gesichtsausdruck wird hart, sie macht einen Schritt auf Kreuger zu. Als sie mit beiden Händen die Brechstange hebt, weicht er zurück, stolpert und stürzt. Sein Blick hat nun etwas Flehendes, doch Lisa sieht nur den Spott und die Machtgier, die sein Gesicht die ganze Zeit zu einer bedrohlichen Maske verzerrt hatten.
»Dein Freigang ist beendet«, sagt sie. Sie spürt keinerlei Schmerz mehr in der verletzten Hand und lässt die Brechstange mit aller Kraft auf seinen Schädel sausen.
»Es ist vorbei, vorbei, vorbei!«
Erst als Kreuger sich nicht mehr rührt und der FuÃboden und ihre Kleidung voller Blutspritzer sind, lässt sie die Stange fallen.
»Setzen Sie sich.« Senta, die das Geschehen entgeistert verfolgt hat, führt Lisa zum Sofa, wo diese lautlos zu weinen beginnt. Sie holt Anouk und setzt sie so neben ihre Mutter, dass sie die übel zugerichtete Leiche Kreugers nicht sehen muss. Sie geht zu ihr, es kostet sie groÃe Ãberwindung, in seinen Taschen nach dem Haustürschlüssel zu suchen. Ihre Hände sind blutig, als sie damit in den Flur geht. Es kommt ihr vor, als wäre es viele Stunden her, dass sie hier stand und an der Klinke rüttelte. Mit zitternden Fingern dreht sie den Schlüssel im Schloss und macht die Tür weit auf.
Dann geht sie wieder ins Wohnzimmer und setzt sich neben Lisa und Anouk aufs Sofa. Niemand sagt ein Wort, sie lauschen der sich nähernden Polizeisirene. Zu dritt warten sie, bis das Geheul vor dem Haus verstummt.
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© 2008 Simone van der Vlugt © 2009 der deutschsprachigen Ausgabe by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion | Christiane Burkhardt
Herstellung | Helga Schörnig
Alle Rechte vorbehalten
eISBN : 978-3-641-03397-2
www.randomhouse.de
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