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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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Position blieb. Sie drehte den Hahn auf und ließ das Wasser laufen. Lauwarm rann der schmale Strahl aus der Brause. Gerade, als Alexandra die Füße in die Wanne stellte, machte der Boiler ein leises „Klick“ und das Wasser wurde schlagartig heiß. „Du bockiges Miststück!“ Schnell zog sie die Füße aus der Wanne. Stirnrunzelnd betrachtete Alexandra den Boiler, die Wanne und das verlebte Bad. „Das tue ich mir jetzt nicht an. Ich werde eine gepflegte Dusche bei Caro nehmen!“ Sie zeigte dem Boiler den Mittelfinger ihrer rechten Hand und packte ihre Reisetasche mit Duschzeug und frischer Wäsche zusammen.
    „Auf ins einundzwanzigste Jahrhundert”, seufzte Alexandra auf dem Weg nach draußen und zog die Haustür hinter sich zu. Ihr Weg zu Caro ging über eine verstaubte kleine Nebenstraße, die nicht geteert war. Man konnte ihr ihre DDR-Vergangenheit noch ansehen, zwischen dem sandigen Untergrund tauchten hin und wieder graue Betonplatten auf, die an den Rändern abgefahren waren. Nur drei Häuser weiter wohnte ihre Cousine. Das Hundegebell war verstummt. Außer leisem Zwitschern einiger Vögel und den Rasensprengern, deren rhythmisches ‚Tschik, tschik, tschik’ durch die Vorgärten waberte, waren keine störenden Umgebungsgeräusche zu hören. Alexandra genoss den Moment der relativen Stille. In Berlin gab es so etwas nicht.
    Caro guckte Alexandra von oben bis unten prüfend an.
    „Ich wusste, die Aussicht auf einen Mann würde dich postwendend hierher locken. Aber du hättest dich vorher waschen können!“
    „Mich lockt eher die Aussicht auf eine gepflegte Dusche hierher als irgendein Mann”, lachte Alexandra. „Bitte lass mich meinen Astralkörper waschen, das Unkraut juckt unsäglich!“
    Caro nickte: „Ja, du solltest dich enthaaren, das sage ich schon lange...”
    Alexandra knuffte ihre Cousine in die Rippen. „Du alte bösartige Schachtel. Los, mach Platz und lass mich endlich ins Bad.“
    „Na dann, komm rein Küken. Kennst dich ja aus.“
    „Lotte sagt, es gibt Kuchen? Was für einen?“
    „Dass du das fragst. Solltest du nicht eher nach dem Mann fragen?“
    „Das kommt später. Erst will ich wissen, was du für Kuchen gemacht hast.“
    Alexandra hatte eine ausgeprägte Schwäche für Kaffee und Kuchen. Caro machte nach ihrer Meinung die besten Kuchen überhaupt. Am liebsten hatte sie es, wenn es mehrere Torten gab und die Stücke nicht so groß geschnitten waren, damit sie möglichst alle Kuchen probieren konnte. Dazu einen Kaffee, der nicht gefiltert war, sondern nur mit kochendem Wasser aufgegossen wurde und ein paar Minuten brauchte, um sich zu setzen. Und natürlich frisch geschlagene Sahne. Mit echtem Vanillezucker leicht gesüßt. Das war für Alexandra das Wartezimmer des Himmels. Im Sommer sollten es frische Obstkuchen sein, im Winter liebte sie die feisten Torten mit Marzipan und Nüssen. Caro beherrschte die aufwendige Produktion einer Marzipan-Pistazien-Torte, die eine Gesamtkalorienzahl von etwa sechzehntausend hatte. Aber sie behauptete steif und fest, eine Torte, der man vorher sagt, dass sie gefälligst nicht auf die Hüften gehen solle, die würde das auch niemals tun. Caroline musste sich mit Kalorienzählen ohnehin nicht befassen. Sie war eine zierliche Blondine und hatte noch nie eine größere Kleidergröße als sechsunddreißig gehabt.
    Alexandra war etwas kräftiger, trug eine Kleidergröße mehr als Caro und dachte nur sehr selten über ihr Gewicht nach. Für ausgedehnte Kuchenschlachten legte sie eine extra Runde beim Joggen ein, ansonsten blieb auch sie von größeren Gewichtszunahmen verschont, was sicher mehr an ihrer genetischen Veranlagung lag, als an ihrer ausgewogenen Ernährung.
    „Es gibt Mango-Sahne Torte, Erdbeerschnitten und einen Apfelkuchen.“
    Alexandra leckte sich die Lippen. „Hmmmm. Lecker. Muss ja ein ganz besonderer Mann sein, der da kommt!“
    „Ja.“
    „Ja?“
    „Der Pfarrer!“
    „Der Pfarrer? Was willst du denn mit dem Pfarrer?“
    „Taufgespräch. Charlotte ist noch nicht getauft, wenn du dich erinnerst und in drei Wochen gibt es hier viele Kinder, die getauft werden. Ich möchte, dass Charlotte dabei ist. Und du weißt, was das bedeutet, Frau Taufpatin!“
    „Hm. Ja klar. Aber macht man das Taufgespräch nicht beim Pfarrer?“
    „Normalerweise schon, aber erstens war er in der Nachbarschaft zu einem Besuch und zweitens liebt er meine Kuchen.“
    „Kluger Mann.“
    „Ist er. Geh dich waschen. Bis du fertig bist, sind der

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