Rheinmaerchen
feine Fäden zog und damit den Tanzplatz umgab. Dazu sang sie:
Spinnenseil:
Daß kein Kobold ungeladen
In der Elfen Tanz eingeh,
Zieh ich einen Silberfaden
Jetzt von Blum zu Blum im Klee.
Spinnerin bin ich, Fädlein spinn ich;
Weberin web ich, rings umschweb ich
Unsern Tanz so fein und sinnig
Rings mit sichrem Netz umgeb ich.
Schneckenpfeil aber war mit Bogen und Pfeilen wie eine rüstige Jägerin bald hier, bald dort und wies eine Menge von Fledermäusen, Nachtschmetterlingen, Eidechsen und andern unbequemen Gästen, die der Glanz der Frau Mondenschein herbeilockte, mit ihren Pfeilen zurück, wozu sie sang –
Schneckenpfeil:
Eines kräftgen Käfers Zange
Ist mein Bogen; Spinnenseil
Drehte Fäden mir zum Strange,
Und ich schieß den Schneckenpfeil;
Pfeile spend ich, von uns wend ich
Eidechs, Kauz und Fledermaus;
Alle blend ich, alle send ich
Witzig spitzig bald nach Haus.
Die dritte Jungfrau aber, welche Mottenflügel hieß, schweifte von Blume zu Blume und sammelte den Tau und bestreute mit seinen Perlen den Rasen um Frau Mondenschein her, wie man die Tanzböden gegen den Staub zu besprengen pflegt; ihr Gesang aber lautete also –
Mottenflügel:
Ich bestehl im Tal am Hügel
Alle Blümelein im Traum,
Schüttle Perlen von dem Flügel
Hier in unsres Spieles Raum.
Perlen setz ich, leis benetz ich
Unsre Au mit kühlem Tau,
Daß ihr Füßlein nicht verletz sich
Mondenschein, die zarte Frau.
Palmkätzchen, die vierte Jungfrau, trug allerlei weiche Blütenflocken, zarten Flachs und Flaum herbei und breitete Teppiche zum Sitze der Frau Mondenschein aus; auch verstopfte sie die Glocken der Blumen aus einer übertriebenen Sorge, sie möchten vom Tanze bewegt läuten und die nächtliche Feier verraten; bei welchem Geschäfte sie folgendermaßen sang –
Palmkätzchen:
Flachs von fauler Dirnen Rocken,
Flaum von zarter Knaben Kinn
Stehl ich, streue weiche Flocken
Unter eure Füße hin.
Weit her schlepp ich euch den Teppich,
Daß ihr nicht zerreißt die Socken
An dem Eppich – Wolle stepp ich
Ins Geläut der Blumenglocken.
Die fünfte Jungfrau, Blumenfädchen, sammelte allerlei Wohlgerüche, die sie auf einem Rauchfaß, das sie in Gestalt einer Rose in der Hand schwenkte, auf dem Tanzraum mit folgendem Gesange verbreitete –
Blumenfädchen:
Ich umschweb die Blumenkelche,
Raube ihnen süßen Duft,
Schwenke, daß das Fest hoch schwelge,
Dann mein Rauchfaß durch die Luft.
Ich bin luftig, Rose ruft mich,
Mir winkt Lilie, seufzt Viole,
Rings süß duftig mach die Luft ich
Euch ums Haupt und um die Sohle.
Ihr folgte in emsigem Geschäfte die sechste Jungfrau, Johannislicht; sie zündete rings im Gras und in den Büschen kleine schimmernde Lichter an, machte kleine Laternen aus den Kelchen der Glockenblume und ließ eine Menge leuchtender Funken die verschiedenen Kreise des Tanzes, wie ein Feuerwerk auf dem Teppich der Nacht, hinschweben, wobei sie also sang –
Johannislicht:
Ich begleite mit Gefunkel
Eure Füße auf dem Plan,
Zünde rings im Nachtesdunkel
Tausend bunte Lampen an.
Es umgrenze und umglänze
Duftberauscht und mondlichttrunken
In dem Lenze unsre Tänze
Glühend der Johannisfunken.
Die siebente Jungfrau, der fliegende Sommer, auch Altweibersommer genannt, brachte einen schönen Schleier heran und reichte ihn der Frau Mondenschein, die ihn traurig anlegte, wozu sie sang –
Altweibersommer:
Frühling war ein lustger Freier,
Sommer ernst ein Ehemann,
Herbst webt schon den Witwenschleier,
Und der Winter legt ihn an.
Jungfraun lauern hinter Mauern
Unterm Schleier auf den Freier;
Witwen trauern und bedauern
In dem Schleier Totenfeier!
Als Frau Mondenschein den Schleier angelegt hatte, tanzten die Jungfrauen um sie her, und die Heimchen grillten im Takte, wozu Frau Nachtigall bald lustig schmetterte, bald in süßen Klagen zu zerfließen schien; endlich aber verstummte die Musik, und die Tänzerinnen wurden ruhig, der Mond trat hinter die Wolken, die leichten Frauen warfen allein einen milden Schein auf Blumen und Gras, aber keinen Schatten; da sprach Frau Mondenschein also:
»Meine lieben Mägdlein, jetzt ist die Stunde, wo ich euch endlich erzählen kann, was mich schon vierhundert Jahre lang so traurig macht; mein Leid ist vorüber, morgen ist alles vergessen, morgen bin ich wieder jung, neu und glücklich.
Vor vierhundert Jahren hatte ich noch keine Gesellinnen, ich war einsam und allein und wandelte sehnsüchtig und träumend hier auf dieser Insel umher, die mir besonders lieb war; aber sie
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