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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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säuselnd von sinnender Stirn;
Schlaf, schleiche, umschleire mit Schlummer
Die Schmerzen, die schwül mir die Seele umschwirrn.
    Flöß flehend, du Flötengeflüster,
Mir Himmel und Heimat ans Herz,
Leucht lieblich und lispele düster
Und fächle, daß lächle im Schlummer der Schmerz.
    Sieh! sind schon die Sonnen gesunken,
Glück glimmet in Abendlichts Glut,
Und Finsternis feiert mit Funken,
Licht locket ins Leben das liebende Blut.
    Wir wanken in wohnsamer Wiege,
Wind weht wohl ein Federlein los,
Wie’s wehe, wie’s fliege, wie’s liege,
Fein fiel es und spielt es dem Vater im Schoß.
    Bis hieher hatte die Starenkönigin, sich beruhigend, mein Trostlied angehört, als sie aber die letzte Strophe nachschwätzen wollte, brach ihr Leid wieder aus, und sie sagte, nur weniger heftig als im Anfang:
    ‘Weh! mein Ei! mein Wunderei!
So grausam zu zerbrechen,
Vom Federlein dann sprechen,
Das fortgeflogen sei.
So könnt ein jeder sprechen;
Und eines Schäfers Magen
Nennt Sie des Vaters Schoß!
Frau Mondschein, ich muß sagen,
Der Unterschied ist groß,
Die Ähnlichkeit kurios!
    ‘Ich danke Ihr für das schöne Trostlied, es hat mir bis auf den seltsamen Schluß ganz wohlgetan; aber ich weiß wohl, der Mondschein erlaubt nicht, etwas genau zu unterscheiden. So wisse Sie denn, ich bin die Starenkönigin Aglaster, und Ihr tölpelhafter Schäfer hat mit diesem Ei die Hoffnung der Welt, den künftigen Regenten des Starenvolkes, vernichtet. Es war dieses Ei aber ein Schicksalsei, gar wunderbar gezeichnet, und wenn erst Herr Cisio Janus kommt, der wird Ihr schon auslegen, was der Schäfer getan hat.’
    Ich erwiderte hierauf: ‘War es ein Schicksalsei, so hat Damon ein Schicksal mit sich verbunden. O ihr edles schwarzgefedertes Starenvolk, willst du deiner Königin Sohn dienen, wo er auch sei?’
    Auf diese Frage erhob sich ein allgemeines Geschrei der Stare: ‘Das wollen wir, das wollen wir!’ – ‘Wohlan’, fuhr ich fort, ‘so gehorchet ihm in dem edlen Schäfer Damon, mit welchem sich dieses Schicksal verbunden hat, was wahrlich ein Schicksal zu nennen ist, ein unabänderliches, unverschuldetes und recht gutes; denn ihr werdet in ihm einen weisen und milden Regenten haben, und in mir, seiner Braut, eine wohltätige Mutter. War es eurer guten Königin Aglaster nicht vergönnt, aus diesem Schicksalsei einen Starenprinzen zu brüten, so hat mir der Himmel doch verliehen, euch alle in Menschen zu verwandeln, was ihr in euren Voreltern gewesen, und ich will euch gründen ein Land Staren, und ihr sollet Weizen und Korn bauen und Weinbeer essen in alle Ewigkeit.’
    ‘Weinbeer! Weinbeer! Vivat Prinz Damon!’ schrie das Starenvolk nun allgemein. Frau Aglaster aber war ganz anderer Meinung, sie schüttelte mit dem Kopf und sagte: ‘Ich habe mich hinreichend überzeugt, daß man eher bei Menschen Starenverstand als bei den Staren Menschenverstand findet, und so wäre es besser, Damon würde ein Star und verbände sich mit mir, die eine arme Wittib ist, euch zu regieren.’
    Über diesen Vorschlag lachte und schrie das ganze Volk; sie sagten, das hieße vom Pferde auf den Esel kommen, und schrieen fortwährend: ‘Vivat Weinbeer, Weizen und Menschenverstand!’
    Da war die ganze gute Stimmung der Frau Aglaster vorüber, und sie rief wieder heftig: ‘Mein Ei! Mein Wunderei! Komm, Cisio Janus , steh mir bei!’ Ich aber sagte: ‘Ei was, es fällt kein Sperling vom Dach ohne Gottes Willen’ – und wollte mich entfernen; da erwiderte sie: ‘Vorhin spracht Ihr von einem Federchen, jetzt ist es schon ein Sperling; aber es ist hier von einem Schicksalsei und einem Nest die Rede, das kein Dach ist.
    Höret, höret!
Es ist leicht, ein Ei zu kauen;
Aber was im Ei gelebt,
Läßt sich nicht so leicht verdauen;
Denn es wird sein Ziel erschauen,
Was da lebet, was da schwebt.
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei!
    Höret, höret!
Äußrer Faden abgerissen
Spinnt sich weiter innerlich,
Und der leicht verschluckte Bissen
Wird nach Wissen und Gewissen
Einst auch wieder äußerlich.
Weh! mein Ei! mein Wunderei
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.
    Höret, höret!
Dieses Leben, das im Eichen
Ihr verzehrtet, war bestimmt
Nach der Schale Wunderzeichen,
Viel Verkehrtes auszugleichen,
Was nun andre Wege nimmt:
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.
    Ein Geschick habt ihr verschlungen,
Schien es gleich nur

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