Rheinmaerchen
dritter Fürst
von Starenberg, er begehrt nichts mehr
zu wissen.
Hierauf betraten wir die Kapelle gegen Mittag; sie war aus glänzenden Schlacken erbaut und mit mancherlei Schmelzwerk ausgeziert; ihre Kuppel bestand aus feuerfarbenem Glase, durch das die Sonne in wunderbarem Glanze hereinstrahlte; in der Mitte stand der Sarg des Kohlenjockels, von goldenen Flammen umgeben, und über ihm stand ein Jüngling von Erz, der in den Händen ein Becken voll lebendigen Feuers trug – über dem Eingang standen die Worte:
Hier ruht Jakob, der Köhler, der vierte
Fürst von Starenberg, er verlangt nichts
mehr zu wissen.
Alle diese Kapellen war ich an der Seite der schönen Frau Lureley durchwandelt, und nun traten wir in die letzte gegen Abend. Sie war von weißem Marmor und ruhte auf goldnen Säulen, welche Garben vorstellten; in der Mitte durchfloß sie eine lustige Quelle, die ein silbernes Mühlrad trieb, das, mit harmonischen Schellen behängt, ein liebliches Getön hervorbrachte; sonst war noch kein Sarg hier und kein anderes Bild, auch keine Inschrift stand über dem Eingang.
Als die blonde Frau hereintrat, ward sie sehr traurig und weinte, und sagte zu mir: »Radlauf, gib mir die Gebeine des schwarzen Hans.« Ich gab sie ihr, sie benetzte sie mit ihren Tränen, legte sie in die goldne herzförmige Kapsel, die ihr Mägdlein Liebeseid gesponnen hatte, und hängte sie über dem Rade an einer silbernen Kette auf, die von der Decke herabhing. In dem Augenblick stürzte ein ungeheurer Schwarm von Staren mit durchdringendem Geschrei durch die offne Kuppel der Kapelle, und Lureley sprach zu ihnen:
»Die Tage der Rache sind zu Ende, ihr treuen Diener eures unglücklichen Herrn! Geht auf den Hof des Schlosses, ich will euch seinen frommen Sohn vorstellen.« Nach diesen Worten hoben sich die Stare von dannen, und sie sprach zu mir: »Mein teurer Radlauf, erschrecke nicht über das, was ich dir sagen werde, unterbrich auch nicht meine Rede mit Worten und Fragen und Ausrufungen; sobald du redest, muß ich dich verlassen, und du zerbrichst ein Werk, was dich und mich beglücket; reiche mir deine Hand, umarme mich, o komm an mein Herz, ich bin deine Mutter.« Hier schloß sie mich in ihre Arme; Schauer und Entzücken nahmen mir die Sinne; aber sie benetzte mein Antlitz mit dem Quell, und mir ward unendlich wohl – dann fuhr sie fort: »Der schwarze Hans, den wir hier begraben haben, ist dein Bruder; hier diese Kapelle ist die Grabstätte deines Vaters, noch ruht er nicht hier, noch lebt er, du wirst ihn noch einmal umarmen; noch mehr Geschwister hast du, du sollst sie alle sehen; in wenigen Stunden muß ich dich verlassen; drum bleibt mir nicht die Zeit, dir alles zu erklären, was dich heute mit Erstaunen erfüllt; aber bald sehe ich dich wieder, und du lernst mich kennen; jetzt folge mir, daß ich dich deinen Untertanen vorstelle, die dich erwarten.«
Stumm und erschüttert, mehr durch ihre Erzählung, als durch ihr Gebot zu schweigen, folgte ich ihr in der Begleitung ihrer sieben Jungfrauen. Wir gingen aus der Kirche hinaus; auf schönen reinen Treppen stiegen wir zu heiteren Terrassen, mit mancherlei Bildsäulen und schönen Gefäßen, aus denen Wasser sprudelte, geschmückt; so gelangten wir durch geräumige Vorsäle in prächtig geschmückte Gemächer, die, bequem und vornehm aneinander gereiht, auf bunten Teppichen durchwandelt wurden, bis sie auf einer großen Marmorgalerie wieder zu Tage liefen. Von diesem Standpunkte übersah man den grünen Spiegel des Sees und das jenseitige Waldgebirge, das sozusagen erst die Folge dieser Säle beschloß; aber, hinausgetreten auf den Balkon, erblickte ich den Hof des Schlosses und die ihn umgebenden Gärten und Terrassen mit einer Menge von Menschen bedeckt, die mit Hüten und Tüchern wehend einem freudig stürmenden, jauchzenden Meere glichen, das mit tausend Wogen des Jubels an mein bestürztes Herz schlug und immer: »Heil! Heil! unserm Fürstensohne, Heil! Heil! seiner Mutter!« rief.
Die liebe blonde Mutter aber sprach zu mir: »Sage, mein Sohn, an wen gedenkst du jetzt, du, der kummervoll und arm war und jetzt mit allem weltlichen Entzücken berauscht ist?« Da sprach ich: »Daß der Vater lebt, ist mir lieb; daß ich meine Mutter sehe, ist mir süß; aber ich wollte, ich wäre am Rhein und dieses Schloß wäre meine Mühle und dieses Volk wäre der Rhein; Ameley wäre in seinen Wellen, ich stürzte hinein, trüge sie in meinen Armen auf die Wiese ans Ufer und sähe in ihre
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