Rheinmaerchen
Jungfrauen an den hellen Waldquellen.
Komm! komm! lieb, lieb Agneta,
Margaretha, Sophia,
Elisabetha, Ameleya traut,
Sibylla, Lila, Frau Gertraut,
Kommt bald, ihr Mägdlein schöne,
Kommt, mich zu baden säuberlich,
Und schmücket mich;
O kommet! die Jungfrauen im Tauen
Mich baden und beschauen, ja schauen.
Kaum hatte sie dies Lied nach der Melodie der Nachtigall gesungen, als ihre sieben Fräulein aus den umstehenden Bäumen zu ihr auf den blumigten Rasengrund traten: Pfauenaug aus der Ulme, Nachtigall aus der Linde, Reiherbusch aus der Kastanie, Turtel aus dem Nußbaum, Flaum aus der Birke, Schwanenlied aus der Erle, und Schwalbenwitzchen aus der Weide. Sie hatten alle ihre Röcklein aufgeschürzt und trippelten um Frau Phönix, die in dem Quell stand, herum und wuschen ihr die Füße und schmückten sie. Als sie aber fertig waren, sagte Frau Phönix:
Ich bin Frau Phönix Federschein,
Begraben hab ich den Liebsten mein;
Mein Hals war goldgelb, licht und klar,
Mein Leib und Flügel purpurn war –
Der goldnen Kron auf meinem Haupt
Hat Trauer Licht und Glanz geraubt,
Nun sammeln mir die Vögelein
Weihrauch und Myrrhen und Spezerein,
Von edlem Holz wohlriechende Ästlein;
Sie bauen mir daraus ein Nestlein,
Darüber schwing ich mein Gefieder
Am Sonnenlichte auf und nieder,
Bis daß das Rauchwerk sich entzündet,
Die Flamme sich zur Höhe windet:
Dann laß ich mich herab zur Glut,
Verbrenne willig, wohlgemut.
Aus meiner Asche wird erstehn
Ein Würmlein, leuchtend anzusehn,
Woraus ich wieder rein und pur
Mich neu erschwinge zur Natur.
Nun saget mir, ihr Fräulein all!
Was euer Amt ist in diesem Fall.
Fräulein Pfauenaug sang nun, indem sie der Frau Phönix ihr Gewand ordnete:
Mit dem Tausend-Augen-Kranze
Ich auf deine Reize schau;
Mit der Federn Purpur-Glanze
Schmück ich dich, du holde Frau!
Ich erweck dir nach der Sonne
In dem Herzen die Begierde,
Denn so heller Farben Wonne
Leiht ihr Schein erst rechte Zierde.
Fräulein Nachtigall sprach zu ihr:
Ich, Frau Phönix! lehr dich singen:
Wenn dir will das Herz zerspringen,
Lehret dich Frau Nachtigall,
Gott zu grüßen tausendmal:
Auf der Eiche in der Spitzen,
Wenn die Flammen dich umblitzen,
Lehret dich Frau Nachtigall,
Gott zu loben tausendmal.
Fräulein Schwanensang, welche ein Lorbeerkrönchen trug, sagte ihr hierauf:
Sängerin ist sie, ich bin Dichter,
Dichte nur ein einzig Lied,
Mich begeistern Himmelslichter,
Wenn der Mond ins Wasser sieht.
Und ich will dies Lied dir sagen,
Das ich sterbend pfleg zu singen,
Wenn die Flammen um dich schlagen,
Dich im Feuer zu verjüngen.
Fräulein Fläumchen aber brachte eine Menge leichte Federkissen herbei und sprach:
Allen Vöglein ihre Wiege
Füttre ich recht weich und zart.
Daß die junge Brut nicht liege
In den Reisern rauh und hart.
Als Bettmeisterin die Kissen
Trag ich dir zum Feuerneste,
Leid wär mirs, wenn dir die Äste
Nur ein Federlein zerrissen.
Fräulein Schwalbenwitz nahte nun in ihrem grauen Sibyllenmantel und sagte:
Wenn die andern schlafend nicken
Les ich auf des Tages Stirn
Das Geschick, mit leisen Blicken
Winket mir das Nachtgestirn.
Traumausdeuter, weiser Meister,
Sing ich dir die künftgen Zeiten,
Wenn die wilden Feuergeister
In dem Neste um dich streiten.
Fräulein Turtel trat nun freundlich herzu und sagte zu ihrer Gebieterin:
Einst sang ich dir unverdrossen,
Wie der Pelikan sein Blut
Kinderliebend hat vergossen,
Zu erquicken seine Brut.
Nun reich ich, du Holde, Treue!
Dir den dunklen Witwenschleier,
Daß die Flamme dich erneue
In der glühen Totenfeier.
Fräulein Reiherbusch nahte zuletzt und sang:
Ich will dir die Flamme fachen
Mit der Flügel regem Schlag,
Daß sie freudig um dich lachen
Lichter als der junge Tag.
Wenn du schöner und belebter
Triumphierst in Jugendwonne,
Schwing ich dann den Federzepter
Vor dir hin durch Luft und Sonne.
Frau Phönix dankte ihnen allen und sagte: »Bis mein Scheiterhaufen bereitet ist, will ich euch noch erzählen, wer der Vogelsteller Veit war, den wir heute begraben haben, oder vielmehr, wie ich den jungen Fürsten Veit von Starenberg kennen lernte, sein Weib ward, und wie er mich betrogen hat.
Herr Johannes, der zweite Fürst von Starenberg, der ein leidenschaftlicher Bergmann war, blieb einst ungewöhnlich lange aus. In den ersten Tagen glaubte sein Volk, daß er in irgend einer Grube reiche Ausbeute müsse gefunden haben; denn sie wußten wohl, daß er in solchem Falle oft mehrere Tage ausblieb. Als aber endlich eine ganze Woche herumging und er
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