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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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noch nicht wiederkehrte, besorgte man, es möge ihn irgend ein Unglück in dem Bergwerke getroffen haben, und suchte ihn vergebens aller Orten.
    Schon war Schloß und Land mit Trauer über seinen Tod erfüllt, als unter die Klagenden, die sich im Hofe versammelt hatten, ein seltsam gekleideter häßlicher Mann trat. Er trug einen grünen Hut, einen grauen gelbgegürteten Rock und rote Stiefel, und kam einen Turm herabgestiegen, auf den der Fürst immer allein zu gehen pflegte. Seine Erscheinung machte jedermann aufmerksam, weil ihn nie jemand gesehen hatte, und weil er aus dem geheimnisvollen Turme kam. Er sagte hierauf: ‘Ihr Männer von Starenberg! Euer Herr und Fürst, mein großer Gönner und Freund, ist nicht mehr; ich war sein Astronom, heute nacht hab ich die Sterne beschaut und daraus gesehen, daß er nie wiederkehren wird. Nun aber ist euer künftiger Herrscher, der Erbprinz Veit, noch unmündig; wer aber kann besser sein Vormund sein als ich, der der vertrauteste Freund seines Vaters war. Wollt ihr nun mir dieses Amt anvertrauen, so will ich eure Bergwerke bauen, besser noch als vorher, ich will eure Livereien mit Gold und Silber bedecken, Lust und Herrlichkeit soll überall verbreitet sein; denn ich kenne alle Würzlein und Kräuter, alle Steine und Metalle, die Elemente sind mir untertan, und die Planeten habe ich alle an einem Fädchen.’
    Während er so sprach und dabei die seltsamsten Grimassen machte, nahte sich der kleine Veit, an der Hand eines alten Vogelstellers, mit dem er sich viel abzugeben pflegte; er hatte einen schönen Distelfink auf der Hand und war guter Dinge. Die Starenberger empfingen ihren kleinen Fürsten mit aller Liebe eines treuen Volkes, und als sie ihm sagten, daß sein Vater gestorben sei, ließ er den Finken fliegen und begann heftig zu weinen, mehr aber aus Schrecken über den Trismegistus, den er, seit er ihm einen goldenen Zahn ausgebrochen hatte, tödlich haßte, als über den Tod seines Vaters; denn er war noch zu jung, um zu wissen, daß der Tod schrecklicher sei als der Zahnbrecher.
    Von neuem erhob der graue Mann wieder seine Stimme und pries seine Kenntnisse und seine Gelehrsamkeit, und als er wieder sagte: ‘Ich kenne alle Wurzeln und Kräuter’, unterbrach ihn der alte Vogelsteller: ‘Woran kennt Ihr sie denn?’ Stolz erwiderte der Affe Trismegistus: ‘Zeigt es mir nicht das Gesicht, so zeigt es mir der Geruch; zeigt es mir nicht der Geruch, so zeigt es mir der Geschmack.’ Nun bückte sich der Vogelsteller zur Erde und sprach, indem er dem Affen etwas reichte, was er aufgehoben hatte: ‘Was ist denn dies für eine Wurzel, Herr Doktor?’ – ‘Erstens muß es mir das Gesicht zeigen’, erwiderte der Affe, indem er das Dargereichte von allen Seiten betrachtete. ‘Das Gesicht zeigt es mir nicht; so muß es mir der Geruch zeigen’ – nun roch er daran und fuhr fort: Der Geruch zeigt es mir auch nicht, so muß es mir der Geschmack endlich zeigen’ und nun biß er hinein und reichte mit Stolz das Dargereichte dem Vogelsteller zurück, indem er hoffärtig sagte: ‘Nehmt hin, mein Mann! Ihr seid betrogen, denn dies ist keine Wurzel, es ist getrockneter Affenmist.’ – Kaum aber hatte er diese Worte gesagt, als man ihn allgemein auslachte, weil er den Kot so hoffärtig versucht hatte, und da der Vogelsteller sagte: ‘Hat man mich mit dem Affenkot betrogen, so laßt euch, ihr Männer von Starenberg! nicht von dem Affen selbst betrügen’, und als der kleine Veit noch dazu schrie: ‘Ja, der Spitzbub hat mir meinen goldenen Zahn ausgebrochen’, und ihm darauf einen Stein an den Kopf warf, gab er damit die Losung zu einem allgemeinen Steinhagel, mit welchem man den betrügerischen Affen Trismegistus zum Schloß hinaus verfolgte.
    Als die Starenberger sich nach dieser Verrichtung wieder um den kleinen Veit gesammelt hatten, sagte dieser sehr verständig: ‘Ich will mir meinen Vormund selbst aussuchen, und das soll niemand sein als mein lieber Vogelsteller hier, den ich am liebsten unter allen Leuten habe.’
    Einstimmig ward der Vogelsteller nun als Vormund Veits und Landesverweser anerkannt und verwaltete dies Amt auch mehrere Jahre zu allgemeiner Zufriedenheit.
    Der kleine Veit hatte bei ihm die glücklichsten Tage; er beschäftigte sich mit nichts als dem Vogelfang und mit Erziehung mancherlei Vögel. Bald aber war ihm dies nicht genug, er wünschte selbst zu fliegen. Anfangs machte er allerlei kindische Versuche, indem er sich seine Kleider mit Federn

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