Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
der Straße. Er brauchte sie. Er fragte sich, ob sich der Typ morgens jemals einen Lastwagen angesehen und gedacht hatte: Am liebsten würde ich jetzt den Zündschlüssel umdrehen, statt hier reinzugehen.
Aus der Ferne mochte vieles besser aussehen, aber wenn er eins gelernt hatte, dann, dass überall Scheiße herumlag. Und irgendwann trat man rein.
3
TONY HATTE IHR DEN SPITZNAMEN Santa gegeben, da Suzy an dem verschneiten Dezembernachmittag, an dem sie in dem Haus seiner Eltern in den Hamptons zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, dunkelrote Satinunterwäsche getragen hatte. Für ihn war das wie ein Geschenk zu Weihnachten.
Sie hatte gegrinst, als er das sagte, und frech erwidert, zum Glück sei kein anderes Weihnachtsgeschenk gekommen.
Seit jenem Tag waren sie völlig hin und weg voneinander. So sehr, dass Tony Revere den Plan eines MBA-Studiums in Harvard aufgegeben hatte und stattdessen mit Suzy von New York nach England gezogen war, sehr zum Verdruss seiner dominanten Mutter. Nun studierten beide an der University of Brighton.
»Du Faulpelz!«, sagte er. »Du gottverdammter Faulpelz.«
»Na und, ich habe heute keine Vorlesungen.«
»Aber es ist halb neun.«
»Weiß ich doch. Ich habe dich schon um acht gehört. Dann um Viertel nach. Dann um fünf vor halb. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.«
Er schaute auf sie hinunter. »Du bist schön genug. Soll ich dir mal was sagen? Wir haben uns seit Mitternacht nicht mehr geliebt.«
»Hast du mich über?«
»Sieht so aus.«
»Dann muss ich wohl mein altes schwarzes Buch herauskramen.«
»Ach, ja?«
Sie hob die Hand und packte ihn sanft, aber energisch unterhalb der Gürtelschnalle. Sie grinste, als er aufkeuchte. »Komm wieder ins Bett.«
»Ich muss zu meinem Tutor, und danach habe ich eine Vorlesung.«
»Worüber?«
»Galbraith’sche Herausforderungen an die heutige Erwerbsbevölkerung.«
»Mensch, du Glückspilz.«
»Und ob. Wenn ich die Wahl habe, mir das anzuhören oder den Morgen mit dir im Bett zu verbringen, brauche ich nicht lange zu überlegen.«
»Gut. Also komm wieder ins Bett.«
»Von wegen. Du weißt, was passiert, wenn ich in diesem Semester keine guten Noten bekomme.«
»Dann musst du heim in die Staaten zu Mami.«
»Du kennst doch meine Mutter.«
»Und ob. Ganz schön furchteinflößend.«
»Du sagst es.«
»Du hast also Angst vor ihr?«
»Vor meiner Mutter haben alle Angst.«
Suzy setzte sich auf und schob ihr langes dunkles Haar nach hinten. »Mehr als vor mir? Ist das der Grund, warum du hergekommen bist? Bin ich nur eine Ausrede, um vor ihr wegzulaufen?«
Er beugte sich hinunter und küsste sie, schmeckte ihren schläfrigen Atem. »Habe ich dir schon mal gesagt, dass du hinreißend bist?«
»Etwa tausendmal. Du bist auch hinreißend. Habe ich dir das schon mal gesagt?«
»Etwa tausendmal. Du bist wie eine Schallplatte, die hängen geblieben ist.« Er hängte sich den superleichten Rucksack über die Schultern.
Sie schaute ihn an. Er war groß und schlank, hatte das kurze dunkle Haar zu unregelmäßigen Stacheln gegelt und trug einen Dreitagebart, den sie gern am Gesicht spürte. Er trug einen gesteppten Anorak über zwei T-Shirts, dazu Jeans und Turnschuhe und roch nach dem Eau de Cologne von Abercrombie and Fitch, das sie so gerne mochte.
Er verströmte eine Selbstsicherheit, die sie bei ihrer ersten Begegnung in der dunklen Pravda-Kellerbar in Greenwich Village so sehr fasziniert hatte. Sie hatte mit ihrer besten Freundin Katie in New York Urlaub gemacht. Die arme Katie war allein nach England zurückgeflogen, während sie bei Tony geblieben war.
»Wann kommst du zurück?«
»Sobald ich kann.«
»Das ist nicht bald genug!«
Er küsste sie noch einmal. »Ich liebe dich. Ich vergöttere dich.«
Sie wedelte mit den Armen. »Mehr.«
»Du bist das unglaublichste, schönste, liebenswerteste Geschöpf auf diesem Planeten.«
»Mehr!«
»In jeder Sekunde, die ich von dir getrennt bin, vermisse ich dich immer und immer und immer mehr.«
Wieder wedelte sie mit den Armen. »Mehr!«
»Jetzt wirst du allmählich gierig.«
»Du machst mich gierig.«
»Und du machst mich geil wie sonst was. Ich muss los, bevor es zu spät ist!«
»Willst du mich wirklich so zurücklassen?«
»Yep.«
Er küsste sie noch einmal, setzte sich eine Baseballkappe auf und schob sein Mountainbike aus der Wohnung hinaus in den kalten, windigen Aprilmorgen. Als er die Haustür hinter sich schloss, atmete er tief die salzige Seeluft
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