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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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britischen Elektronikkonzern vertrat, hatte den Brief unmittelbar vor dem Abflug zu einem längeren geschäftlichen Aufenthalt in New York geschrieben – seltsamerweise nur einen Tag, nachdem er bei den Trevannys in Fontainebleau zu Besuch gewesen war. Jonathan hätte von Alan höchstens ein Dankeschön für die Abschiedsparty erwartet, die Simone und er für den Freund gegeben hatten, und Alan fand auch einige dankende Worte dafür, doch dann folgte ein Absatz, der Jonathan verstörte:
    Jon, was ich über Dein altes Leiden gehört habe, hat mich zutiefst bestürzt. Ich hoffe immer noch, es war falscher Alarm. Man sagte mir, du wüßtest davon, würdest aber Deinen Freunden nichts sagen. Das ehrt Dich, aber wozu sind denn Freunde da? Denk bloß nicht, wir wollten Dir aus dem Weg gehen, weil wir vielleicht meinten, Du wärest uns zu trübsinnig. Deine Freunde (und dazu zähle ich mich) sind immer für Dich da. Aber ich kann nicht in Worte fassen, was ich wirklich sagen will. Das [21]  hole ich in ein paar Monaten nach, wenn wir uns wiedersehen – sobald ich einen Urlaub herausschlagen kann. Verzeih mir also diese dürftigen Zeilen.
    Was meinte Alan damit? Hatte sein Hausarzt, Dr.   Perrier, den Freunden etwas gesagt, das er ihm selber verschwieg? Etwas in der Art, daß er nicht mehr lange zu leben habe? Dr.   Perrier war nicht auf der Party für Alan gewesen, doch womöglich hatte er mit jemand anderem darüber gesprochen.
    Mit Simone vielleicht? Ob auch sie es vor ihm verschwieg?
    Diese Möglichkeiten gingen Jonathan durch den Kopf, als er morgens um halb neun mit erdverschmierten Händen in seinem Garten stand. Trotz des Pullovers fror er. Am besten ging er heute noch zu Dr.   Perrier. Simone zu fragen war sinnlos; sie könnte sich verstellen: »Aber Liebling, wie kommst du denn darauf?« Er würde kaum erkennen können, ob sie sich verstellte.
    Und Dr.   Perrier? Konnte er ihm vertrauen? Der Mann sprühte immerzu vor Optimismus, was gut und schön war, solange man nichts Schlimmes hatte; man fühlte sich gleich viel besser oder sogar schon geheilt. Aber Jonathan wußte, daß er etwas Schlimmes hatte: myeloische Leukämie, das bedeutete, einen Überschuß weißer Blutkörperchen im Knochenmark. In den letzten fünf Jahren hatte er mindestens vier Bluttransfusionen pro Jahr erhalten. Immer wenn er sich schwach fühlte, sollte er seinen Hausarzt aufsuchen oder ins Krankenhaus von Fontainebleau gehen und sich Blut übertragen lassen. Dr.   Perrier hatte, genau [22]  wie sein Pariser Facharzt, gesagt, irgendwann werde sich sein Zustand rapide verschlechtern, dann würden Transfusionen nicht mehr helfen. Jonathan wußte das selber, er hatte genug über sein Leiden gelesen. Bislang war myeloische Leukämie unheilbar. Sie führte meist binnen sechs bis zwölf, manchmal auch binnen sechs bis acht Jahren zum Tode. Für Jonathan begann jetzt sein sechstes Jahr.
    Er stellte die Forke in den Geräteschuppen zurück, einen kleinen Backsteinbau, der früher die Außentoilette gewesen war, und ging zur Hintertreppe. Dort blieb er stehen, den Fuß auf die erste Stufe gesetzt, sog tief die frische Morgenluft ein und dachte: »Wie viele Morgen wie diesen werde ich noch erleben?« Dann aber fiel ihm ein, daß er genau das auch schon im letzten Frühling gedacht hatte. Reiß dich zusammen, sagte er sich, schließlich weißt du seit sechs Jahren, daß du womöglich keine fünfunddreißig wirst. Festen Schrittes stieg Jonathan die acht eisernen Stufen hinauf, in Gedanken schon woanders: Es war 8   :   52   Uhr; spätestens kurz nach 9 mußte er in seinem Laden sein.
    Simone brachte Georges gerade in den Kindergarten; das Haus war leer. Jonathan wusch sich die Hände über der Spüle. Er nahm die Gemüsebürste dazu, was Simone gar nicht gefallen hätte, säuberte sie aber anschließend wieder. Im Haus gab es nur noch ein weiteres Waschbecken, oben im Badezimmer. Und kein Telefon. Er würde Dr.   Perrier gleich als erstes vom Laden aus anrufen.
    Jonathan ging links die Rue de la Paroisse hinunter bis zur Kreuzung und dann weiter über die Rue des Sablons bis zu seinem Geschäft. Dort wählte er Dr.   Perriers Nummer. Er wußte sie auswendig.
    [23]  Die Schwester sagte, der Doktor habe heute keinen Termin mehr frei. Das hatte er erwartet.
    »Es ist aber dringend. Lange dauert es nicht, eigentlich nur eine Frage, doch ich muß ihn unbedingt sprechen.«
    »Fühlen Sie sich schwach, Monsieur Trevanny?«
    »Ja«, sagte er

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