Risiko!
Er erschauerte, und sie fühlte, wie sich eine Wärme in ihr ausbreitete, als er sich in ihr verströmte. Solch einen intimen Moment konnte und wollte sie niemals mit einem anderen Mann teilen.
Ray gab keinen Laut von sich. Selbst als er fertig war, sprach er nicht. Das wunderte sie. “Warum bist du so still? Du machst nicht das leiseste Geräusch, wenn du kommst. Warum?”
Er küsste ihr Ohr, dass es kitzelte. “Ich wollte dich nicht wecken, falls du zwischendurch eingeschlafen sein solltest.”
Sie gab ihm einen Klaps auf den Po. “Das ist nicht witzig.”
“Na, hör mal, so was ist schließlich schon vorgekommen.”
“Bei mir nicht.” Und an die anderen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, wollte sie jetzt bestimmt nicht denken.
Ray sah sie überrascht an. “Stimmt, du bist es ja. Das war mir doch glatt entfallen.”
Na gut, er machte sich über sie lustig. Er wollte ihr damit wahrscheinlich zu verstehen geben, dass sie lediglich ihr Versprechen eingelöst hatten, das sie sich in der ersten Nacht auf der Insel gegeben hatten. Und genau so hatte sie es doch ursprünglich gewollt, dachte sie.
Ray beugte sich zu ihr hinab und küsste sie sanft, liebevoll und zärtlich. Sein Kuss weckte all die Gefühle, die sie so mühsam zu unterdrücken versuchte. Wie konnte er sie so küssen und sie anschließend einfach gehen lassen?
Und wie konnte sie seinen Kuss erwidern, ihn eng umschlungen halten, ihm so nah sein wie jetzt – und hinterher gehen?
10. KAPITEL
N ach dem Abendessen saß Sydney im Arbeitszimmer ihres Vaters. Normalerweise mied sie diesen Raum und war nie in Nolans Abwesenheit hineingegangen.
Von seinem edlen Teakschreibtisch blickte man durch die große Fensterfront direkt auf Palmen, Strand und Meer. Sydney hockte in Nolans Schreibtischsessel und sah hinaus. Die Aussicht war schöner, als man es mit Worten je zu fassen vermochte. Sydney seufzte und schlang die Arme um den Oberkörper. Was hätte sie darum gegeben, ausdrücken zu können, was sie in diesem Augenblick fühlte!
Doch sie konnte keine Gedichte schreiben, die wiedergaben, was gerade in ihr vorging. Sie konnte das Lied nicht singen, das in ihrem Herzen klang, wenn sie auf den Ozean blickte. Und sie konnte den Sonnenuntergang, den sie jederzeit vor ihrem geistigen Auge zu sehen vermochte, nicht auf eine Leinwand bannen.
All das hatte sie ihr Leben lang tun wollen, doch die traurige Wahrheit war, dass sie weder schreiben noch singen noch malen konnte. Und dafür gab es einen einfachen Grund: Sydney Ford war kein bisschen kreativ.
Macy Webb konnte schreiben, Lauren Hollister konnte Layouts entwerfen, Kinsey Gray hatte ein sicheres Gespür für Trends, Chloe Zuniga kannte sich mit Farben und Stilen aus wie keine Zweite, und Melanie Craine war ein Technikgenie.
Sie alle hatte Sydney um sich geschart, damit sie wettmachten, was ihr fehlte. Eigentlich sollte sie sich glücklich schätzen, von Frauen umgeben zu sein, die ihre mangelnden Talente ausglichen. Sie waren die kreative Quelle, aus der gIRL-gEAR sich speiste.
Natürlich trug auch sie etwas bei. Sie brachte alles mit, was die geballte Kreativität der anderen erst zu einem florierenden Geschäft machte. Sie entwarf die Konzepte, war der planende Geist, der das Unternehmen lenkte.
Eigentlich sollte sie Nolan danken, dass er seine Erfolgsgene an sie weitergegeben hatte. Und ihrer Mutter wohl auch.
Immerhin war Vegas Ford nicht müde geworden, Sydneys Mangel an kreativen Talenten zu beklagen. Deshalb war sie auf die Idee gekommen, in die Fußstapfen ihrer Künstlermutter zu treten, statt ihrem Vater nachzueifern.
Hier, in Nolans Arbeitszimmer, umgeben von Dingen, die seinen Geist atmeten, fühlte sie sich ihm verbundener denn je. Und zugleich wurde ihr klar, wie schrecklich einsam sie war.
Sydney lehnte die Stirn gegen das Fenster und betrachtete ihr Gesicht, das sich im Glas spiegelte. Normalerweise vermied sie es, über ihre familiären Probleme nachzudenken. Schließlich war sie erwachsen und hatte ihr Schicksal selbst in der Hand. Außerdem waren die Schwierigkeiten mit ihrer Mutter weitestgehend überwunden.
Vegas war schlicht unsensibel. Sie sagte immer, was sie dachte. Dabei schien ihr egal zu sein, ob sie eventuell die Gefühle anderer verletzte. Und das tat sie praktisch dauernd. Doch als wäre das noch nicht genug, fühlten sich die Betroffenen hinterher sogar schuldig, weil sie offen aussprach, was man zwar wusste, aber lieber nicht hören wollte.
Sydney
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