Ritterturnier auf Schreckenstein
davonfuhren.
Sofort sei allen klargewesen: Die wollen nach Rosenfels! Etwa ein Dutzend Ritter seien aufgebrochen, einige mit den Mädchen im Elektroboot, die übrigen mit den Rädern um den See. Und richtig! Als erstes habe man das Motorrad entdeckt, neben dem Wirtschaftsgebäude. Udo und Jerry hätten sich offenbar sehr sicher gefühlt und seien kurz darauf auf dem Korridor des ersten Stocks überwältigt worden, wo sie sich an den Schränken der Mädchen zu schaffen gemacht hatten.
Die Absicht war klar. Nach ihrem Reinfall auf der Burg sollte es nach einem Ritterstreich gegen Rosenfels aussehen, um das Konto Schreckenstein weiter zu belasten.
Mit Sprungseilen, wie sie zur Schreckensteiner Streichausrüstung gehören, seien die beiden gefesselt und zur vorläufigen Aufbewahrung in den Schweinestall des alten Wirtschaftsgebäudes gesperrt worden. Vorsichtshalber habe man Udo den Zündschlüssel abgenommen und in einer weiteren gemütlichen Runde mit Bouillon nebenan überlegt, was am besten zu tun sei. Da die Gefangenen zu schreien anfingen, mußten ihnen die Münder zugeklebt werden.
Damit Fräulein Doktor Horn nichts von den nächtlichen Umtrieben erfahre, sei man übereingekommen, Udo und Jerry vor dem Wecken zur Omnibushaltestelle an der Hauptstraße zu bringen. Allerdings ohne Motorrad. Einen Denkzettel hätten sie schließlich verdient.
Dampfwalze, der in den Ferien bei Geländefahrten als begabter Nachwuchs aufgefallen war – wie er von sich selber sagte –, habe es übernommen, die Maschine bei Udos Vater abzuliefern.
Wie jeden Morgen erschienen die Mädchen zum Frühstück. Keine kam zu spät. Hinter ihren Stühlen stehend, warteten sie, bis Fräulein Doktor Horn ihnen ihr übertrieben fröhliches „Guten Morgen!“ zugezwitschert und Platz genommen hatte.
„Jetzt nur nicht gähnen!“ raunte Ingrid ihrer Nachbarin zu. „Weitersagen!“
Ingrids Warnung war begründet. Gerade bei Tisch, wenn sich die Mädchen unbeobachtet fühlten, sah sich die alte Füchsin heimlich, aber gründlich um. Wer bei der Nahrungsaufnahme gähnen muß – so schloß sie –, ist total übermüdet und daher streichverdächtig. Die Freiheiten des Schreckensteiner Schulsystems zu bekämpfen, war gewissermaßen ihr Dauerstreich.
Johanna schaute auf ihre Uhr. „Wenn Udo und Jerry gescheit sind, rufen sie aus einer Telefonzelle zu Hause an, daß alles in Ordnung ist, dann können sie pünktlich zum Unterricht in ihrer Schule sein.“
„Der Bus ist zehn vor acht am Stadtplatz“, bestätigte Karin.
Sophie glaubte, nicht recht gehört zu haben. „Seit wann machen sich Küken Sorgen um ältere Herrn?“ fragte sie.
Karin tat beleidigt. „Ich kenn’ halt zufällig den Fahrplan.“
In diesem Augenblick brandete ein Raunen durch den Eßsaal, suchend drehten sich die Köpfe, Augen kullerten, bis sie ihr Ziel gefunden hatten und kein Zweifel mehr bestand, daß es sich nicht um eine Fata Morgana handelte. Zwei etwas zerzupft wirkende, aber nicht ganz unbekannte Gestalten kamen da herein: Udo und Jerry.
„Heilige Bahnhofswirtschaft!“ stammelte Beatrix an Fräulein Doktor Horns Tisch, während die beiden schnurstracks auf die Leiterin zustrebten.
„Guten Morgen!“ begann Jerry. „Entschuldigen Sie unseren unerwarteten Auftritt…“
„Allerdings unerwartet!“ sagte FDH patzig.
Jerry fuhr fort: „Wir sind gestern von Schreckensteinern verschleppt worden.“
„Wa… was?“ Fräulein Doktor Horn blieb der Kakao im Hals stecken.
„Wenn die uns jetzt verraten!“ flüsterte Ingrid. Sie hüstelte, um auf sich aufmerksam zu machen, und fixierte die beiden, während Beatrix vorsichtig hinter dem Kakaobecher den Finger an die Lippen legte.
Die Leiterin starrte noch immer wie ein ausgestopfter Vogel.
Udo fuhr in ruhigem Erzählton fort: „Wir sind am Nachmittag zur Burg gefahren, um denen zu sagen: ,Leute, was ihr da gemacht habt, das ging zu weit! Das wird ein Nachspiel haben!’“
Ingrid und Beatrix schickten wahre Laserstrahlen zu den beiden. Sie schauten auch kurz herüber.
„Und ob das ein Nachspiel haben wird!“ bekräftigte Fräulein Doktor Horn.
Jerry bemühte sich um einen Trauriger-Hund-Blick. „Wir wollten sie warnen. Doch zum Dank haben sie uns gefesselt und in die Folterkammer gesteckt.“
„Dann sind sie um uns rumgesessen“, sprach Udo weiter, „haben Bouillon getrunken, uns aber nichts gegeben…“
Hier unterbrach ihn Jerry. „Könnten wir vielleicht… Wir haben seit gestern
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