Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
gesprochen hatte. Doch sie brachte es nicht über sich, den parfait zu belügen.
Aber Authié verstand auch so. Als ihm bewusst wurde, was Rixendes Schweigen bedeutete, sprang er auf, trat vor Rixende und verbeugte sich tief vor ihr.
„Der folgende Tag ist immer der Schüler des vorhergehenden. Ich muss Euch danken, Ava von Planissoles, auch im Namen aller noch unter uns lebenden parfaits . Ihr habt uns soeben aus der Ungewissheit befreit. Die Inquisition hat die Höhle umsonst auf den Kopf gestellt – sie haben unseren Schatz nicht gefunden“, meinte er zufrieden.
„Das ist auch mein einziger Trost!“
„Hütet die Schätze der ecclesia Dei, der Kirche Gottes, gut“, meinte er abschließend leise. „Trachtet danach, sie wieder an einen sicheren Ort zu bringen. Solltet Ihr dabei Hilfe benötigen, so schickt Benete zu jener Frau, die unsere heutige Zusammenkunft arrangiert hat. Übrigens - ich kam geradewegs aus Eurem Dorf Montaillou hierher, wo ich in den letzten Jahren fast alle Einwohner für unseren Glauben gewinnen konnte, wie es seinerzeit Eurem verehrten Vater gelang. Doch Euch will ich nicht drängen, Ava von Planissoles. Euer Glaube wird auch ohne mein Zutun …“ Der parfait stockte. Sein Blick war auf den Wandteppich gefallen.
„… wachsen“, vervollständigte er seinen Satz. „Dass Ihr ein Einhorn in Eurer Schreibstube hängen habt, liebe Frau Fabri, ist eines dieser Anzeichen dafür. Nicht nur die Inder, auch wir Katharer verehren es. Für die boni christiani ist das Weiße Einhorn ein Symbol für die Reinheit, für Güte und Friedensliebe, für die Weltabgewandtheit. Man erzählt, dass sich unter dem Horn, auf der Stirn des Pferdes, ein blutroter Karfunkelstein befindet, der wundersame Kräfte besitzt. Das mag nur eine schöne Legende sein, dennoch … Jetzt bin ich mir völlig sicher, dass Ihr eines Tages den Weg der Sterne finden werdet. Die Synagoge Satans, die maligna, die Kirche der Übelwollenden, war die längste Zeit in Eurem Herzen zu Hause. Der Herr, der die drei Könige geleitet hat, leite zukünftig auch Euch.“
Rixende geleitete Authié hinunter, wo eine aufgeregte Köchin noch immer eisern den Treppenaufgang bewachte.
Ob die Bürger von Albi, deren Verhaftung im Jahr des Herrn 1299 zu so vielen Zusammenstößen Anlass gab, tatsächlich Ketzer waren, hatten vor ihrer eigenen Anklage auch die beiden Reformatoren nicht mehr in jedem Fall beweisen können.
Inzwischen hatten sich in Albi und Carcassonne erneut parfaits niedergelassen, so dass die Ketzerei mit ihnen einen Aufschwung erfuhr. Viele Bürger meinten, dass jeder Kessel irgendwann sein Maß habe, und schlugen sich auf die vermeintlich ehrlichere, die Seite der Katharer.
Der Senat setzte daher im Frühjahr 1303 alle Hoffnung auf Philipp den Schönen und Johanna, die Inquisition jedoch schrieb eine Petition nach der anderen an Bonifatius und drängte auf ein schnelles Urteil gegen die Reformatoren und Delicieux. Abbéville hoffte inständig, dass es gefällt wurde, bevor der König eintraf.
Allerdings gab es nicht wenige Bürger und Konsuln, die zu erheblichen Zweifeln neigten, was den Besuch Philipps anging. Man hatte so manches über den „Franzosen“, diesen „Falschmünzerkönig“, wie ihn viele Okzitanier abschätzig nannten, gehört und meinte, dass sein Besuch so unnütz und aussichtslos sei, wie mit Füchsen zu pflügen und Ziegenböcke zu melken.
In der Tat waren während Philipps Regierungszeit mehrere Münzverschlechterungen erfolgt, vor allem wegen der Kriegskosten, die die Eroberung Flanderns verursacht hatte und noch verursachen würde. Philipp war vor sechs Jahren dort einmarschiert, hatte das Land okkupiert und drei Jahre besetzt gehalten. Doch die aufständischen Flamen hatten die französischen Besatzer erschlagen. Das daraufhin entsandte Ritterheer hatte im letzten Juli bei Courtrai eine vernichtende Niederlage erlitten. Die Wiedereroberung würde also viel Geld kosten. Philipps stets risikobereiter Legist Nogaret und auch seine beiden Finanzberater hatten ihm schon mehr als einmal nahegelegt, die Immunitätsrechte anderer auszuschalten, damit sich die königlichen Kassen wieder füllten. Dass Nogaret mit den „anderen“ vor allem Bonifatius meinte, wusste der König. Der zwar fromme, aber nichtsdestotrotz machtbesessene Regent war selbst noch immer wütend auf den Papst, weil er sich erdreistet hatte, die sofortige Freilassung des inzwischen wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung
Weitere Kostenlose Bücher