Robinas Stunde null
nehmen sie mir übel, dass ich ihr
Funkfeuer manipuliert, mir ihren Roboter hörig gemacht habe?
Nein! Sie würden kein Signal senden, sich nicht ankündigen.
Wie trete ich ihnen entgegen?’ Robina durchflutete eine
heiße Welle. Ihre Gedanken gingen konfus. ,Dreiundzwanzig
Jahre habe ich Zeit gehabt, mich auf dieses Ereignis
vorzubereiten. Und wie stehe ich da? Warum habe ich nicht
versucht, wenigstens einiges von ihrer Schrift zu entziffern –
mit Birnes Hilfe? Zu einer Begrüßungsformel hätte es gereicht.
Nein, deine Sprache hast du ihn gelehrt, arrogante Robina, bist,
warst auch noch stolz darauf!’ Robina versuchte sich zu
beruhigen. Sie ging zurück zur Grotte, schleuste sich in ihren
Container, legte den Skaphander ab. Fahrig noch, dann
gezielter, begann sie zu suchen. ,Wie lange? Zehn, fünfzehn
Jahre habe ich keines genommen. Wo sind sie, die verfluchten
Kügelchen?’ Robina spürte, wie sie mehr und mehr in Panik
geriet. Sie erinnerte sich flüchtig, wie sie seinerzeit unter der
Droge dahinvegetierte, gleichsam verkam, wie sie mit großem
Kraftaufwand wieder ins Normale fand. ,Ein, nur ein
Kügelchen…’ Sie fand die kleine Box hinter den üppigen
Ranken ihrer Pflanzenecke. Als sie die Blätter berührte, befiel
sie eine Ahnung von Wehmut, von Abschied. ,Welch ein
glücklicher Augenblick damals, als aus den Samenkörnchen
und der Hand voll Erde – Mandys sentimentales Amulett – die
ersten Hähnchen sprossen.’ Robina breitete die Arme und
strich liebkosend über Stängel, Blüten und Ranken, die ein
Viertel ihrer Kemenate einnahmen. Dann riss sie sich los,
schluckte ein halbes Kügelchen und zwang sich hinzulegen.
Sie schloss die Augen; langsam begann die Droge zu wirken.
Ein wenig Ruhe durchfloss die Frau. ,Ich lasse es einfach auf
mich zukommen…’
Obwohl Erregung und Spannung kaum nachgelassen hatten,
half ihr das Medikament, sich auf das Bevorstehende zu
konzentrieren. Immer wieder mahnte sie sich, nicht in Hektik
zu verfallen, zwang sich, den Raumanzug erst eine
Viertelstunde vor dem zu erwartenden Durchgang des Schiffes
anzuziehen. Aber dann eilte sie dennoch überhastet hinaus; der
Schleusvorgang ging ihr nicht schnell genug. Und sie starrte
zitternd vor Aufregung zum Horizont. Nervös strich sie mit der
rechten Hand über den Metallkörper des Roboters, der
unbeweglich, seine 30 Zentimeter über dem Boden schwebend,
neben dem Grotteneingang stand.
Robina verfolgte die Ziffern der Uhr. Unendlich langsam
tropften ihr die Sekunden.
,Jetzt!’ Sie starrte, dass die Augen zu tränen begannen.
Nichts tat sich.
Nervös blickte Robina zum Chronometer und wieder zum
Horizont. Die Zeit stimmte. ,Sollte er etwa kaputt…? Unsinn,
es wäre das erste Mal und ausgerechnet jetzt, dass dieses
Präzisionsding versagte!’
Robina bemächtigte sich Fassungslosigkeit. Sie stand und
starrte, eine heiße Welle durchjagte ihren Körper. Ohne den
Kopf zu wenden, schubste sie den Roboter, hieb mit der
flachen Hand nervös auf dessen Panzer. „Wo bleiben sie?“,
rief sie. „Warum kommen sie nicht? Verdammt!“ Sie lief
etliche Schritte in die Ebene hinaus, breitete die Arme, schrie:
„Hier bin ich, hierher! Verdammt, kommt hierher!“ Sie
erstarrte förmlich in ihrer Pose, das Gesicht zum Horizont
gerichtet. Dann ließ sie sich plötzlich auf die Knie fallen –
noch immer mit abgespreizten Armen und starrem Blick.
Endlich brach sie zusammen. Der Helm prallte auf den
gläsernen Boden. Ihr Körper wurde hemmungslos von einem
Weinkrampf geschüttelt, und sie schrie immer wieder mit
erstickender Stimme: „Warum, warum…“ Mit den Händen
schlug sie auf den harten Untergrund. –
2
Später hätte Robina nicht zu sagen vermocht, wie lange sie in
diesem Zustand grenzenloser Hoffnungslosigkeit und
Verzweiflung verbracht hatte. Irgendwann stand sie auf und
schleppte sich gesenkten Kopfes zum Grotteneingang. Nicht
ein einziges Mal ging ihr Blick ins Firmament. Als sie sich in
der Schleuse befand, bereits im Begriff, das äußere Schott zu
schließen, meldete sich ihr Unterbewusstsein: Hatte sich etwas
in ihrem Umfeld verändert? Langsam kam sie zu sich. In ihre
maßlose Enttäuschung mischten sich Fatalismus und Furcht.
,Verliere ich den Verstand?’ Sie trat aus dem Container, ging
die wenigen Schritte zum Eingang und befand sich erneut in
der Ebene. Jetzt ging ihr Blick wieder zu den blitzenden
Sternen, und sie lachte bitter auf. Zum ersten Mal empfand sie,
als sei deren Gleißen hämisch
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