0472 - Monsterrache
Hätte er im Freien gestanden, Bealer hätte gelacht oder sich die Hände gerieben, so aber leuchteten seine Augen hinter dem Sichtvisier für einen kurzen Moment auf, und er verstärkte auch seine Schwimmbewegungen.
Von der Backbordseite her näherte er sich dem schräg auf Grund liegenden Schiff.
Es war nicht sehr groß, mehr ein Küstenfrachter, der auch mal eine kleine Tour über die ruhige See nahm und an einer Insel anlegte, mehr aber nicht. Ihn interessierte auch nicht das Schiff direkt, ebenfalls nicht die offizielle Ladung - Eisenringe und Dichtungsnuten für ein Kraftwerk - nein, es war die andere Fracht, auf die es ihm ankam. Von ihr wußte kaum jemand etwas, aber sein Chef hatte es herausbekommen und Bealer, einen ehemaligen Kampfschwimmer der Navy, mit diesem Job betraut.
Er näherte sich dem Wrack.
Es lag da, einem Gemälde gleich. Fische umschwammen es oder glitten hinein. Sie waren die stummen Begleiter und Zeugen des Schiffsuntergangs gewesen.
Der Taucher glitt über die Reling hinweg, drehte sich nach links und sah das gewaltige Loch im Boden. Der Kahn war bei stürmischem Wetter gegen einen Felsen geschleudert worden. Dessen scharfe Steine hatten die Verkleidung aufgerissen, als bestünde sie aus Papier.
Bealer tauchte in das Loch. War es in der normalen See schon düster gewesen, so kam er sich jetzt vor wie ein Frosch, den ein gewaltiges Maul verschluckt hatte.
Wertvolle Dienste leistete ihm die Lampe. Sie zeigte ihm den Weg, den er zu nehmen hatte.
Die silbrig glänzenden Leiber kleiner Fische huschten an ihm vorbei, als er sich langsam auf den noch vorhandenen Schiffsboden sinken ließ und mit beiden Füßen Kontakt bekam.
Er blieb stehen, da er sich zunächst orientieren mußte. Bealer befand sich nahe der Laderäume, die sich mehr mittschiffs und zum Heck hin befanden. Die Räume waren nicht sehr groß, konnten durch Schotts abgetrennt werden, so daß sich Bealer vorkam wie in einem Labyrinth.
Zielstrebig führte er seine Suche fort. Der Strahl tastete wie ein verlängerter Arm in jeden Winkel, leuchtete ihn aus, aber er fand noch nicht das, was er suchte.
Bealer ging davon aus, daß die heiße Ware irgendwo in den Lagerräumen versteckt worden war.
Sein Vorrat an Sauerstoff reichte für zwei Stunden. Wenn er bis dahin nichts gefunden hatte, mußte er noch einmal auftauchen und die Flaschen wechseln.
Schlimmer war schon die Kälte. Trotz des Thermo-Neoprenanzugs, den er übergestreift hatte, würde sie irgendwann in seine Knochen dringen und ihn unbeweglich machen.
Seine Suche begann mit System. Einige der großen Holzkisten waren so aufgeweicht, daß sich die schwere Ladung ins Freie gedrückt hatte. Die großen Metallringe lagen auf dem Boden verteilt und wirkten wie ein Spielzeug für Fische.
Mit kräftigen Beinbewegungen schwamm er nach einer gezielten Durchsuchung des ersten Laderaums in den zweiten hinein, leuchtete nach rechts und schrak heftig zusammen, als er die Berührung an der linken Schulter spürte, die dann weiterglitt und seinen Hals ertastete.
Er drehte den Kopf.
Bealer war abgebrüht, die Jahre beim Militär hatten ihre Spuren hinterlassen, doch als er den treibenden Körper sah, der mit seinen ausgebreiteten Armen wie ein toter Fisch wirkte, überlief es ihn doch kalt und heiß zugleich.
Er hatte einen Toten gefunden!
Bealer war irritiert. Seines Wissens hatte sich die Mannschaft trotz widriger Umstände retten können. Wer also war dieser Mann?
Der Taucher holte sich den Toten heran. Mit der linken Hand umfaßte er den Schulterknochen, drehte die Leiche und richtete den Lampenstrahl direkt in deren Gesicht.
Es wirkte häßlich und abstoßend. Dabei sah es aus wie ein aufgepumpter Ballon, und Bealer sah, wie der Kopf plötzlich kippte, als hätte man ihn angeschnitten.
Er blieb aber auf dem Hals. Dennoch stimmte etwas nicht mit ihm, denn diesem Mann war das Genick gebrochen worden. Deshalb stand der Kopf auch in einem so unnatürlichen Winkel vom Körper ab.
Der Tote trug noch seinen Taucheranzug, der allerdings in Fetzen von seinem Körper hing. Auch die Haut war aufgerissen. Die Wunden hatten sich nicht geschlossen, sie sahen an den Seiten aus wie dicke, wulstige Gebilde und konnten Ekel erzeugen.
Bealer sah die Sache aus anderen Augen. Er bemühte sich um einen gewissen Realismus und dachte über den Toten nach. So wie er ums Leben gekommen war, sah es so aus, als hätte man ihn gefoltert. Und zwar von einem Ungetüm oder Ungeheuer, das sich hier
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