Robinson Crusoe
Dabei fing er an zu schaukeln und den Ast zu schütteln, worauf der Bär zu schwanken begann, innehielt und sich umsah, wie er wieder zurück könnte. Darüber mußten wir freilich von Herzen lachen. Aber Freitags Spiel mit ihm war noch lange nicht beendet. Denn als er den Bären haltmachen sah, rief er ihm wieder, gleich als könnte das arme Tier reden, zu: «Was? Du kannst nicht näher? Ach komm doch näher zu mir!» und hörte zugleich mit dem Schaukeln und Schütteln auf. Der Bär. als hätte er verstanden, rückte wirklich ein wenig weiter vor; Freitag schaukelte von neuem, und der Bär stand wieder still. Wir meinten, jetzt wäre der rechte Augenblick, ihn durch den Kopf zu schießen, und ich rief Freitag zu, er solle stille halten, weil wir feuern wollten. Aber er schrie inständigst, es nicht zu tun; denn er wolle ihm bald selber den Rest geben. Um es kurz zu machen: Freitag schaukelte so stark und der Bär stand so unbeholfen da, daß wir genug zu lachen hatten, uns aber noch nicht vorstellen konnten, was der Bursche weiter anstellen würde. Denn anfangs dachten wir, er tue es, um den Bären herunterzuschütteln; wir merkten aber bald, daß der Bär dazu viel zu listig war und sich nicht so weit hinauswagte, daß er hinunterpurzeln mußte, sondern sich mit seinen breiten Tatzen und Klauen ganz fest anklammerte so daß wir nicht wußten, wie es ablaufen sollte.
Freitag benahm uns jedoch den Zweifel bald. Denn als er sah, daß der Bär fest an dem Aste hing und sich nicht weiter hinauslocken ließ, rief er: «Gut, kommst du nicht, so komme ich! Willst du nicht zu mir, so will ich zu dir!» Damit rutschte er bis auf das äußerste Ende des Astes hinaus, der sich von seinem Gewicht bog, legte sich der Länge nach darauf und glitt so an dem Ast hinab, bis er tief genug kam, um auf die Füße zu springen, eilte dann zu seiner Büchse, nahm sie auf und stand still.
«Nun», sagte ich zu Freitag, «was willst du jetzt tun? Warum schießt du nicht?» - «Nicht schießen», sagt Freitag, «noch nicht, ich schießen bald; ich bleiben, geben auch noch ein Lachen.» Und das tat er wirklich, wie man gleich sehen wird. Denn als der Bär seinen Feind nicht mehr sah, kam er auch von dem Ast zurück, aber hübsch langsam, bei jedem Schritte sich umschauend, und zwar rücklings bis zu dem Stamme. Dann kletterte er, immer mit dem Hintern voran, sehr langsam und mit den Klauen sich festhaltend, Fuß für Fuß an dem Baume hinunter.
In dieser Stellung, gerade bevor er mit den Hintertatzen den Boden erreichen konnte, trat Freitag dicht zu ihm hin, hielt ihm den Lauf vors Ohr und schoß ihn mausetot.
Hierauf kehrte sich der mutwillige Gesell um, um zu sehen, ob wir auch lachten, und als er an unseren Augen sah, daß uns der Streich gefallen hatte, fing er selber überlaut zu lachen an und sagte: «So mir totmachen Bär in mein Land.» -«So», sag' ich, «aber ihr habt ja doch gar keine Gewehre.» - «Nein», sagt er, «kein Gewehr, aber schießen große, lange Pfeile.» Das war ja nun zwar eine lustige Unterhaltung für uns gewesen; aber mittlerweile befanden wir uns nun immer noch in einer sehr wilden Gegend, noch dazu mit einem verwundeten Führer. Das Wolfsgeheul klang mir noch in den Ohren, und ich kann wohl sagen, daß ich außer dem Gebrüll an der afrikanischen Küste, das ich gleich zu Anfang meiner Lebensbeschreibung erwähnte, nie etwas gehört habe, was mich so mit Entsetzen erfüllte.
Freitag hätte gar zu gern dem Bären das Fell abgezogen, was wohl der Mühe wert gewesen wäre. Aber die Nacht brach herein, und der Führer drängte, da wir noch drei deutsche Meilen vor uns hatten. So ließen wir den Meister Petz liefen und ritten weiter.
Der Boden war immer noch von Schnee bedeckt, obwohl nicht so tief und gefährlich wie in den Bergen, und das Raubgezücht war, wie wir hernach erfuhren, vor Hunger in den Wald und ins Flachland heruntergekommen, um nach Nahrung zu suchen, und hatte in den Dörfern, wo die Bauern nicht darauf gefaßt waren, viel Unheil angerichtet und eine Menge Schafe und Pferde und auch einige Menschen getötet.
Wir mußten noch durch eine gefährliche Stelle, und unser Führer meinte, wenn überhaupt Wölfe in dieser Gegend wären, so würden wir sie hier antreffen. Und zwar war dies eine kleine Ebene, auf beiden Seiten von Wäldern umschlossen, und ein langer, schmaler Engpaß, durch den wir hindurch mußten, um dann durch den Wald zu dem Dorf zu gelangen, wo wir übernachten wollten.
Etwa eine
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