Robinson Crusoe
Kajüte gestiegen und hatte mich niedergesetzt, als plötzlich Xury, dem ich das Ruder überlassen, laut aufschrie: «Master! Master! Ein Schiff mit ein Segel!», wobei der närrische Junge ganz außer sich vor Angst war, weil er meinte, das könne nur eins der Schiffe seines Herrn sein, ausgesandt zu unserer Verfolgung, während ich wohl wußte, daß sie uns nicht mehr erreichen konnten. Ich stürzte aus der Kabine und sah auf den ersten Blick nicht nur das Schiff, sondern auch was für eines es war, nämlich ein Portugiese, der vermutlich auf der Fahrt nach Guinea war, um Sklaven zu holen. Als ich aber ihren Kurs verfolgte, war ich bald überzeugt, daß sie anderswohin fuhren und keine Miene machten, sich der Küste zu nähern. Worauf ich mit allen Kräften in die See hinaus strebte, um, wenn irgend möglich, mit ihnen zu reden.
Ich merkte bald, daß ich sie mit aller Segelmacht doch nicht erreichen könne und daß sie davon sein würden, ehe ich ein Zeichen geben könne. Nachdem ich jedoch alle Fetzen aufgesetzt hatte und schon zu verzweifeln anfing, schien es mir, als hätten sie mich doch mit Hilfe ihrer Ferngläser entdeckt und erkannt, daß das ein europäisches Boot sei, vielleicht von einem untergegangenen Schiff, und kürzten ihre Segel, um mich aufkommen zu lassen. Das machte mir Mut, und da ich meines Patrons Flagge an Bord hatte, ließ ich sie als Notzeichen wehen und feuerte eine Büchse ab, was beides sie gewahrten, da sie, wie sie mir nachher sagten, zwar den Schuß nicht hörten, aber den Rauch sahen. Auf diese Zeichen hin hatten sie Menschlichkeit genug, beizudrehen und mich anzulaufen, und nach beiläufig drei Stunden lag ich neben ihnen.
Sie fragten mich auf portugiesisch, spanisch und französisch, wer ich sei. Aber ich verstand keines von den dreien. Endlich jedoch rief mich ein schottischer Matrose, der an Bord war, an, und ich antwortete ihm und sagte, ich sei ein Engländer und aus der Sklaverei bei den Mauren in Salee entflohen. Da hießen sie mich an Bord kommen und nahmen mich und all meine Habe sehr freundlich auf.
Ich war, wie man sich denken kann, unaussprechlich froh darüber, aus meiner erbärmlichen und fast hoffnungslosen Lage befreit zu sein, und bot unverzüglich all mein Gut dem Kapitän des Schiffes zum Dank an. Aber der hochherzige Mann sagte, er wolle nichts von mir nehmen, sondern alle meine Habe würde mir unversehrt ausgehändigt werden, sowie wir in Brasilien ankämen. «Ich habe Euch», sagte er, «das Leben unter keinen anderen Bedingungen gerettet, als ich selbst gerettet werden möchte, und es kann mir früher oder später blühn, daß ich in der gleichen Lage von jemandem aufgenommen werde; außerdem», sagte er, «wenn ich Euch nach Brasilien bringe, so weit weg von Eurem Vaterlande, so würdet Ihr, wenn ich Euch alles wegnähme, was Ihr habt, dort verhungern ; ich würde Euch dadurch also nur das Leben nehmen, das ich Euch gegeben habe. Nein, nein, Senor Inglese», sagte er, «Herr Engländer, ich will Euch dorthin bringen, wie es einem Christenmenschen geziemt, und diese Dinge da werden Euch dazu dienen, Euch dort zu kaufen, was Ihr für Euren Lebensunterhalt braucht, und Eure Heimfahrt zu bezahlen.»
So edelmütig er sich durch dieses Anerbieten erwies, so peinlich gewissenhaft sorgte er auch für die Durchführung. Er wies das Schiffsvolk an, daß keiner wagen sollte, etwas von meinen Sachen anzurühren; alsdann nahm er alles in Verwahrung und gab mir ein genaues Verzeichnis davon, wobei er sogar meine drei irdenen Krüge nicht vergaß. Was mein Boot betrifft, so sah er gleich, daß es sehr gut war, und sagte, er möchte es gern kaufen; was es denn kosten solle. Ich sagte, er sei so großmütig in allen Dingen mit mir verfahren, daß ich keinen Preis dafür nennen wolle, sondern es ihm überließe; worauf er sagte, er würde mir es schriftlich geben, daß er mir 80 Piaster in Brasilien dafür zahlen wolle, und wenn mir dort jemand mehr böte, so würde er den Preis entsprechend erhöhen. Er bot mir auch noch weitere 60 Speziestaler für meinen Xury, die ich zuerst gar nicht nehmen wollte, nicht weil ich ihn dem Kapitän nicht gönnte, sondern weil es mir im Herzen zuwider war, die Freiheit des Jungen zu verkaufen, der mir so treulich geholfen hatte, meine eigene wiederzuerlangen.
Als ich ihm indes mein Bedenken gestand, gab er mir recht und schlug mir als Lösung vor, er wolle es dem Jungen verschreiben, daß er ihn nach zehn Jahren freilassen werde, wenn er
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