Robur der Sieger
dem Erdboden.
Und was begann wohl Frycollin während dieser Fahrt ohne Gleichen?
Frycollin blieb stumm in seiner Cabine und schlief, mit Ausnahme der Zeit, wo gegessen wurde, so gut er konnte.
Frauçois Tapage leistete ihm dann Gesellschaft und ergötzte sich weidlich an seiner ewigen Angst.
»He, he, mein Junge, sagte er, Du heulst ja gar nicht mehr? Brauchst Dich gar nicht zu geniren!… Mit zwei Stunden aufgehängt ist Alles quitt gemacht!… He, bei der Schnelligkeit, mit der wir jetzt fahren, müßte das ein vortreffliches Luftbad gegen den Rheumatismus abgeben!
– Mir kommt es vor, als ob Alles in kurze und kleine Stücke ginge, antwortete Frycollin.
– Das ist wohl möglich, mein wackerer Frycollin; aber wir fliegen so schnell dahin, daß wir gar nicht mehr fallen könnten. Das ist doch auch eine Beruhigung.
– Glauben Sie?
– Bei meiner Gascogner-Ehre!«
Um die Wahrheit zu sagen und nicht zu übertreiben, wie François Tapage, so lag die Sache so, daß die Arbeit der Auftriebsschrauben in Folge jener ungeheuren Geschwindigkeit jetzt ein wenig vermindert war, der Aeronef glitt auf den Luftschichten etwa hin, wie eine Congrève’sche Rakete.
»Und das wird noch lange so fortdauern? sagte Frycollin.
– Lange?… O nein! antwortete der Koch, nur das ganze Leben lang.
– Ach! seufzte der Neger, wieder mit seinen Klagen beginnend.
– Nimm Dich in Acht, Frycollin, nimm Dich in Acht! rief da François Tapage, denn, wie man bei mir zu Hause sagt, der Herr könnte Dich auf die Schaukel hinaussetzen.«
Und mit den Bissen, die er gleich doppelt in den Mund steckte, würgte Frycollin auch seine Seufzer hinunter.
Während dessen entwarfen Onkel Prudent und Phil Evans, welche nicht dazu angethan waren, sich unnütz zu beklagen, einen wohl durchdachten Plan. An Ausführung eines Fluchtversuches war unmöglich zu denken. Doch wenn sie den Fuß auch nicht auf die Erde setzen konnten, war es nicht denkbar, den Erdenbewohnern mitzutheilen, was nach ihrem Verschwinden aus dem Vorsitzenden und dem Schriftführer des Weldon-Instituts geworden war, wer sie geraubt hatte, auf welcher fliegenden Maschine sie sich befanden, um vielleicht – aber, lieber Gott, auf welche Weise? – einen kühnen Versuch ihrer Freunde, sie den Händen Robur’s zu entreißen, herbeiführen zu können?
Doch wie sollten sie von sich Nachricht geben? Hätte es dazu hingereicht, die Methode der Seeleute nachzuahmen, welche ein Schriftstück mit Bezeichnung der Stelle des Schiffbruchs in eine Flasche stecken und diese ins Meer werfen?
Hier vertrat die Stelle des Meeres aber die Atmosphäre. Die Flasche konnte natürlich nicht schwimmen. Fiel dieselbe nicht gerade auf einen zufällig Vorübergehenden, dem sie recht gut den Schädel zerschmettern konnte, so lag die Vermuthung nahe, daß sie niemals aufgefunden wurde.
Die beiden Collegen hatten leider kein anderes Mittel zur Verfügung und sie standen schon im Begriff, eine Flasche des Luftfahrzeuges zu opfern, als dem Onkel Prudent noch ein anderer Gedanke kam. Er schnupfte, wie wir wissen, und diese kleine Untugend darf man einem Amerikaner, der weit schlimmere Unsitten hätte an sich haben können, wohl nachsehen. Als Schnupfer besaß er natürlich auch eine Dose, die jetzt schon längst leer war. Diese Dose war aus Aluminium gearbeitet. Warf er dieselbe hinaus, so durfte man hoffen, daß jeder ehrbare Bürger, der sie fand, sie auch aufheben werde. Hob er sie auf, so lieferte er sie auch bei der Polizei ab, und hier würde man Kenntniß nehmen von dem Document, welches dazu dienen sollte, die Lage der beiden Opfer Robur des Siegers kund zu geben.
Das wurde denn auch ausgeführt. Das kurze einzuschließende Schriftstück sagte Alles und trug daneben die Adresse des Weldon-Instituts mit der Bitte, dasselbe dahin zu befördern.
Nachdem Onkel Prudent das Papier eingelegt, umwickelte er die Dose sorgsam mit einem dicken wollenen Band, um zu verhüten, daß dieselbe sich während des Falles schon öffne und durch das Aufschlagen etwa in Stücke gehe. Jetzt galt es nur noch eine günstige Gelegenheit abzuwarten.
Das Schwerste bei der ganzen Sache war es aber während dieser merkwürdigen Fahrt über Europa, das Ruff zu verlassen, über das Verdeck zu kriechen, auf die Gefahr hin, fortgerissen zu werden, und das ganz heimlich durchzuführen. Andererseits kam es darauf an, daß die Dose nicht in ein Meer, einen Golf, See oder einen anderen Wasserlauf fiel, denn damit – wäre sie ja
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