Rock Rats Saga 01 - Der Astroidenkrieg
und führte Pancho in die Ebene direkt unter der Grand Plaza, wo der Großteil von Selenes Lebenserhaltungsmaschinen untergebracht war. Sie reinigten die Luft, klärten das Wasser und transformierten den elektrischen Strom, der in den Solarfarmen erzeugt wurde. Pumpen summten.
Die Luft knisterte. Die Decken dieser Kammern bestanden aus nacktem, unbehauenem Gestein. Pancho wusste, dass an der Oberseite entweder der gepflegte Rasen der Grand Plaza war oder der Regolith der Mondoberfläche. Und in einem Korridor nicht weit von hier befanden sich die Katakomben.
»Ist das Dingens denn nicht hinter Schloss und Riegel?«, fragte Pancho, während Walton sie an einer langen Reihe von Metallspinden vorbeiführte.
»Sie wissen nicht einmal, dass es überhaupt existiert. Sie glauben, dass ich es zerstört hätte, nachdem sie mir ihren lausigen Preis gegeben haben. Es ist das einzige Exemplar im ganzen weiten Sonnensystem.«
»Wahnsinn.«
Er nickte abwesend. »Und es ist auch kein ›Dingens‹, sondern ein Tarnanzug.«
»Tarnanzug?«, sagte Pancho.
»Er bedeckt einen wie ein Nassanzug von Kopf bis Fuß«, sagte er mit gedämpfter Stimme, als ob er befürchtete, dass jemand ihn belauschte. Pancho musste sich anstrengen, ihn vor der vielfältigen Geräuschkulisse der Maschinen überhaupt zu verstehen.
Pancho folgte Walton die lange Spindreihe entlang. Im Gang roch es nach Staub. Er schien sehr selten benutzt zu werden. Die Oberlichter standen so weit auseinander, dass sie sich alle paar Meter als Schattenriss abzeichneten. Walton blieb vor einem Spind mit einer Seriennummer stehen. Pancho sah, dass er ein elektronisches Sicherheitsschloss hatte.
»Läuft denn hier niemand Streife?«, fragte Pancho mit einem unbehaglichen Gefühl.
»Nee. Wozu auch? Es gibt Kameras am anderen Ende des Gangs, aber dieser alte Tunnel ist eine Sackgasse. Die Leute laden hier ihren Kram ab - persönliche Gegenstände, für die sie in den Unterkünften keinen Platz mehr haben.«
Walton gab den Sicherheitscode ins elektronische Schloss ein und zog die Metalltür auf. Sie quietschte leise, als ob sie sich beschweren wolle.
»Hier ist es«, sagte er leise.
Im Spind hing ein schlaffer tiefschwarzer Ganzkörperanzug.
»Ist er nicht ein Schmuckstück?«, fragte Walton und nahm den Anzug vorsichtig und liebevoll aus dem Schrank. Dann präsentierte er ihn Pancho am Kleiderbügel, damit sie ihn gebührend bewundere.
»Sieht beinahe aus wie ein Nassanzug«, sagte Pancho und fragte sich, wie er jemanden wohl unsichtbar machen solle. Er glitzerte dunkel im trüben Licht der Deckenbeleuchtung, als ob er mit Pailletten aus Onyx besetzt wäre.
»Der Anzug ist mit Nanokameras und Projektoren besetzt, die nur ein paar Molekülschichten dick sind. Ich kann dir sagen, ich wäre fast bekloppt geworden, bis ich die Dinger so weit hatte, dass sie funktionierten.«
»Uh-huh«, sagte Pancho und betastete einen Ärmel mit dem integrierten Handschuh. Das Gewebe fühlte sich weich und elastisch an, aber auch irgendwie körnig wie Sandpapier.
»Die Kameras nehmen dein Umfeld auf«, erläuterte Walton. »Und die Projektoren bilden es ab. Wenn jemand vor dir steht, sieht er, was sich hinter dir befindet. Und wenn jemand links von dir steht, sieht er, was sich rechts von dir befindet. Als ob man durch dich hindurchschauen würde. Du bist praktisch unsichtbar.«
»Und das funktioniert wirklich?«, fragte sie.
»Dafür sorgt ein in den Gürtel integriertes Steuergerät«, sagte Walton. »Die Batterien sind wahrscheinlich leer, aber das Aufladen ist kein Problem.« Er deutete auf ein paar Stromanschlüsse in der glasierten Felswand des Korridors an der gegenüberliegenden Seite der Spinde.
»Und das funktioniert?«, wiederholte sie.
Er lächelte wie ein stolzer Vater. »Willst du ihn einmal anprobieren?«
»Sicher«, sagte Pancho und erwiderte sein Grinsen.
Während Pancho sich in den hautengen Anzug zwängte, hängte Walton die beiden handtellergroßen Akkus ans Netz. Als sie die Handschuhe übergestreift und sich die Kapuze übergezogen hatte, schob er die vollgeladenen Akkus in die Taillenpartie des Anzugs.
»In Ordnung«, sagte Walton und musterte sie kritisch. »Nun zieh die Gesichtsmaske herunter und verbinde sie mit der Kapuze.«
Kleine Brillengläser verdeckten Panchos Augen. »Ich muss wie ein Terrorist aussehen, Ike«, murmelte sie, wobei das Gewebe der Maske auf den Lippen kitzelte.
»Gleich wirst du nach gar nichts mehr aussehen«, sagte er.
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