Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
können. Das aber scheint sich jetzt zu ändern.
Die Rockerszene in Deutschland steht vor einer Zeitenwende: Der Einfluss der alten Silberrücken – Frank Hanebuth in Hannover, Bernd Wobser in Bonn, Walter Burkard in Frankfurt, Lutz Schelhorn in Stuttgart – auf die Geschicke der Hells Angels nimmt offenbar kontinuierlich ab. Bei den Bandidos und Gremium ist es ähnlich.
Als Geschäftsleute sind diese Männer nach vielen Jahren im Milieu mittlerweile so etabliert, dass sie sowohl auf die Auseinandersetzungen mit anderen Gangs als auch auf die Exekutivmaßnahmen der Staatsmacht gut verzichten können. Die Generation derer, die vor vielen Jahren die großen US-Motorradclubs in der Bundesrepublik verbreiteten, hat sich einiges aufgebaut und deshalb nun viel zu verlieren. Das schränkt jeden Krieger ein, gerade wenn er unter ständiger Beobachtung steht.
Die Neuen aber, die derzeit an vielen Orten mit aller Macht nach oben drängen, sind nicht nur beweglich, skrupellos und frei von jeglicher Verantwortung, sondern auch ziemlich schnell aufgestiegen. Und das kann ebenfalls Folgen haben: So verknüpfen manche Ermittler gerade mit denen, die sich die jahrelange Ochsentour durch die Ebenen der Clubs ersparen konnten, große Hoffnungen.
Sollten diese Männer nämlich eines Tages von den Banden enttäuscht werden, so das Kalkül der Kriminalisten, fühlten sich diese Typen vielleicht nicht mehr an die Gesetze der Gangs gebunden und könnten möglicherweise hervorragende Kronzeugen abgeben. In die bisher ziemlich geschlossene Phalanx der OMCG -Szene würde das große Lücken reißen. Es ist eine einfache Rechnung, die der eine oder andere Fachermittler bereits aufmacht: Mehr Rocker bedeuten mehr potenzielle Aussteiger.
Doch zugleich drohen die Clubs noch unberechenbarer und gefährlicher zu werden. Viele Gang-Einsteiger bringen nicht nur eine große Gewaltbereitschaft, sondern auch erhebliche offene Rechnungen aus ihrem kriminellen Vorleben mit, die nun – mit der neuen Macht im Rücken – beglichen werden könnten. Das aber zöge die Gruppierungen in einen Strudel aus Attacken, Racheakten und Vergeltungsmaßnahmen hinein, aus dem es kaum ein Entrinnen gäbe. Doch lässt sich das überhaupt verhindern?
Vielleicht.
Ironischerweise müssten die Motorradclubs dazu etwas leisten, das die Gesellschaft als Ganzes nicht geschafft hat: Sie haben den sozial randständigen Männern, die in die und zu den Banden drängen, eine Perspektive in ihrer Mitte zu bieten. Denn nur wenn es gelingt, den Großteil dieser Kerle bei der Harley-Lenkerstange zu halten, werden die Clubs überleben. Ansonsten zerlegen sich die deutschen Gangs in absehbarer Zeit selbst. Und den Rest gibt ihnen dann die Polizei.
EPILOG
BANDE, WECHSLE DICH!
T ief im Westen ließ sich zuletzt ganz gut studieren, was bundesweit Schule machen könnte. Dort lief Ende November 2012 der Deutsch-Iraner Ramin Y., 24, mit seiner Bandidos-Truppe geschlossen zu den Hells Angels über, obschon er kein Jahr zuvor bei einer Massenschlägerei einen Höllenengel noch schwer verletzt haben soll. Als Abschiedsgruß gab Y. seinen früheren »Brüdern« noch Folgendes via Facebook mit: Er habe bei den Bandidos die erhoffte »Bruderschaft nicht finden« können. Es habe »unzählige, unglaubliche Enttäuschungen« gegeben, vor allem sei die Zweiklassengesellschaft zwischen den etablierten Rockern und dem rechtlosen Nachwuchs unerträglich gewesen. So seien zur Beerdigung eines »ausländischen Members« nur wenige deutsche Rocker erschienen, und außerdem hätten die Alten immer wieder die Freundinnen der Jungen »angegraben oder angetatscht«. Hätten die sich dann beschwert, wären sie aus dem Club geworfen worden. »Mit Respekt«, so hieß es in dem letzten Eintrag des desillusionierten Bandidos Ramin Y., »hat das alles nichts mehr zu tun.«
Man hätte dem Junior-Biker zurufen mögen: Willkommen in der Rockerwelt, willkommen im echten Leben! Doch der Enttäuschte hatte sich bereits anders orientiert und den Hells Angels angedient. Hier sollte nun alles anders und vieles besser werden. Zur Clubgründung in Krefeld erschien sogar nationale Rockerprominenz wie der Berliner Kadir Padir, der zu Beginn des Jahres 2010 als Erster mit seinem Gefolge von den Bandidos zur Konkurrenz übergetreten war und seither neben Necati A. und Fardad B. als informeller Anführer der Migranten unter den Mitgliedern gilt. Der Journaille erklärten die Männer, wie stark und einig sie nun als
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