Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Mordanschlag fehlgeschlagen, und wer sagt denn, dass der Täter, Profi hin oder her, es nicht noch einmal versucht. Dummerweise nur haben die Beschützer bislang keine Genehmigung, Pistolen zu tragen. Also geht ein Antrag darauf an die zuständige Polizeibehörde. »Eine Entscheidung«, so die Beamten, »wird erst in ein paar Wochen fallen.« Bis dahin muss sich der Rockerboss von seinen Leuten bewachen lassen.
Nach einer Stunde ist die Zeugenvernehmung vorbei. Der Hells Angel wird von einigen Getreuen nach Hause eskortiert. »Seine Aussagen haben die Ermittlungen nicht weitergebracht«, sagt ein Kriminalist hinterher und bestätigt damit alle Vermutungen. Wieder hat André Sommer, seiner kruden Rockerlogik folgend, geschwiegen: Derartige Angelegenheiten werden in der Welt der Gangs anders geregelt, ohne die »Schmiere«, wie die Polizei im Jargon heißt.
Die guckt auch zu, als Sommer ein paar Tage später eine Art Comeback-Party feiert. Der Einladung in den »Germanenhof« sind Rocker aus ganz Deutschland gefolgt, entsprechend hoch ist die Anspannung der Hells Angels. Auch Rayk Freitag, der Karateka, der vor Jahren die wüste Keilerei am Spandauer Damm mit der Polizei entfesselt hat, ist frisch aus der Haft entlassen und schaut auf ein Getränk vorbei.
Die Kneipe liegt hinter einer hohen Hecke, man kann den Eingang nur zu Fuß erreichen. Sattes Grün sprießt überall. Links liegt ein kleiner Park mit Büschen und ein paar Bänken, fast idyllisch ist es hier. Wenn da nur nicht die nervösen Rocker wären, die schon am frühen Sonntagmorgen die Gegend kontrollieren. Sie untersuchen Papierkörbe und versiegeln die Eimer anschließend mit schwarzen Mülltüten, so ähnlich wie es das BKA macht, wenn Staatsgäste kommen und man Bombenanschläge befürchtet. Die Rocker kriechen durch das Unterholz, überprüfen abgestellte Autos, lassen niemanden an sich heran. Die uniformierten Ordnungshüter beobachten das Treiben aus sicherer Entfernung und lassen die Gang gewähren.
Im November 2012 nimmt dann ein Spezialeinsatzkommando den ehemaligen Anführer der Hells Angels »Nomads« im brandenburgischen Altlandsberg fest. Holger »Hocko« Bossen, 51, soll das Attentat auf seinen Amtsnachfolger Sommer in Auftrag gegeben haben, weil er dessen Posten übernehmen wollte. Bossen kommt in Untersuchungshaft.
KAPITEL 16
DAS ENDE
Junge Wilde gegen alte Rocker
Das Märchen von den Schafen in Wolfspelzen
V iele Menschen denken, die Konflikte der Gangs gingen sie nichts an. Tatsächlich sind bei den Schießereien, Straßenschlachten und Handgranatenattacken in Deutschland bislang kaum Unbeteiligte verletzt worden, wenngleich sie mitunter auch nur äußerst knapp davonkamen. Damals in Duisburg etwa, als der Hells Angel Timur A. den Bandido »Eschli« Elten erschoss, verfehlten zwei Projektile die Köpfe zweier Frauen in der Nähe nur haarscharf.
Aber wer glaubt, dass sich die Rocker nur untereinander schaden oder allenfalls mit anderen Männern aus dem Milieu aneinandergeraten, hat weit gefehlt. Das Beispiel des Hells Angels Jürgen C. belegt das deutlich. Der frühere »Sergeant at Arms« des Frankfurter Charters »Westend« ging einst auf eine Nachbarin los, beschimpfte und bespuckte sie, weil die es gewagt hatte, sich vom Lärm seiner Harley gestört zu fühlen. Den Ehemann der Frau schlug der Rocker sogar nieder, ehe der überhaupt etwas sagen konnte. Anschließend traktierte er den am Boden Liegenden mit Fußtritten.
Jahre zuvor war C. schon einmal ausgerastet, als er auf einer Bundesstraße hinter einem langsam überholenden VW -Bus gehangen hatte. Er fuhr neben das Vehikel, versuchte zunächst, den Wagen abzudrängen, ließ dann seine Begleiterin die Scheibe auf der Beifahrerseite herunterkurbeln und feuerte durch das geöffnete Fenster. Die Kugel durchschlug das Blech und drang in den Oberschenkel des Fahrers ein. Welch ein Schock muss das für den arglosen Busfahrer gewesen sein?
Wie bereits erwähnt, gingen schon die frühen Hells Angels in Deutschland nicht nur auf ihresgleichen, sondern auch auf Zivilisten los. Das wohl erste Todesopfer, das auf das Konto der Rocker geht, war der unbewaffnete Gemeindehelfer Dieter K., den Hells Angels im April 1973 im Jugendclub der Hamburger Apostelkirche niederstachen. Sieben Jahre später töteten sie auf Sylt den Geschäftsführer der Diskothek »Riverboat«. Detlef B. hatte ihnen Hausverbot erteilt.
Dabei sagt der Hells-Angels-Sprecher Rudolf »Django« Triller, der seinerzeit
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