Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Mitglieder unseres Clubs verzapft haben. (…)
Wir müssen den Zugang herunterfahren, um die schlechte Saat aufzustöbern. Wir haben uns schon darauf verständigt, keine Patchover mehr zu machen (d. h. sich nicht mehr andere Motorradclubs einzuverleiben; Anm. d. Autoren). Jetzt müssen wir vorsichtiger sein, mit unseren Unterstützern und den Männern, die in unseren Club aufgenommen werden wollen. Lasst uns nicht paranoid werden, aber wir sollten den gesunden Menschenverstand benutzen und vorsichtiger sein. (…)
Wir müssen lernen, wer die neuen Mitglieder sind und warum sie sich unserem Club anschließen. Sind sie Rocker, Ehrenmänner, Brüder, Leute, die mit Gleichgesinnten Spaß haben wollen, oder sind sie nur irgendwelche, die mit dem Club Geld machen wollen? Heute kommen zu viele Leute in unseren Club und verlassen ihn schnell wieder, nachdem sie Mitglieder geworden sind. Doch der Hells Angels Motorcycle Club ist kein Drehtür-Verein!
Den Höllenengeln ist schmerzlich bewusst geworden, dass die neue, hastig herangezogene Generation in den Motorradclubs große Probleme verursacht. Denn ihre mangelnde Verbundenheit mit den Banden hat zur Folge, dass die jungen Wilden eigentlich kaum noch zu kontrollieren sind, sowohl für den Staat als auch für die Gangs. Während die Altrocker ihren Status als Hells Angel oder Bandido häufig partout bewahren wollten, haben interne und externe Sanktionsmittel für den Nachwuchs jeden Schrecken verloren: Ihr wollt uns rausschmeißen? Ihr wollt unseren Club verbieten? Ja, dann macht doch! Der Berliner Rocker Kadir Padir etwa soll, wie oben erwähnt, seiner Clubführung sogar offen mit dem Wechsel zu einer anderen Gang gedroht haben: »Dann habt ihr jeden Tag Sportfest.«
Hinzu kommt, dass die Jungen zu spüren scheinen, wie die Zeit der Alten abläuft. Die Ermittlungsbehörden sind in den vergangenen Jahren massiv gegen die etablierten Vereine der Szene vorgegangen. Das war wohl richtig und wichtig. Zugleich nahm es den Alphatieren der Gruppierungen aber auch die Möglichkeit, den Nachwuchs einigermaßen im Zaum zu halten. Und diese Entwicklung könnte sich noch rächen.
Denn viele der Neu-Rocker sind alles andere als unbedarfte Jungspunde. Über die Bremer Mongols, die sich vor allem aus der kurdischen Großfamilie M. rekrutierten, sagte ein LKA -Fahnder einmal: »Wenn sich die Hells Angels mit denen anlegen, werden sie schnell merken, dass sie die Einzigen sind, die zu einer Schießerei mit Baseballschlägern anrücken.« Und der Kölner Bandido Yusuf erläuterte der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«: »Die Kanaken sind brutal. Die freuen sich, wenn es Stress gibt.«
Und daher verlegten sich die Bremer Höllenengel dann doch lieber darauf, im Falle der Mongols ihr bis dahin brutal exekutiertes Revierdenken auszusetzen und sich stattdessen lieber in Ignoranz zu üben. Das seien ja gar keine richtigen Rocker, verkündeten die Hells Angels unisono. Woraus wohl folgen sollte: Also müssen wir uns nicht mit denen streiten. Was wiederum eine weise Entscheidung war.
Mongolen an der Weser
Die letzte Bewegung im Leben des Fahranfängers Mustafa B. war eine Drehung der rechten Hand. Seine rote Honda Fireblade, 178 PS, 290 Stundenkilometer Spitze, heulte auf, beschleunigte und schoss an den Autos vorbei. Sekunden später prallte der Motorradfahrer gegen einen Baum. Er starb noch an der Unfallstelle, einer vierspurigen Straße im Bremer Stadtgebiet. Ein Fremdverschulden liege nicht vor, teilte die Polizei lapidar mit.
Tatsächlich untersuchte die Kripo die Maschine des Toten besonders gründlich auf mögliche Manipulationen. Denn der 38-Jährige galt als einer der führenden Köpfe der Organisierten Kriminalität in Bremen. Der Verdacht lag nahe, dass jemand aus dem Milieu ein besonderes Interesse an seinem Ableben gehabt haben könnte.
Denn Mustafa B. hatte die Hells Angels herausgefordert. Im August 2010 gründete der Kurde gemeinsam mit knapp zwei Dutzend Mitgliedern seiner Sippe einen Ableger des US -Motorradclubs Mongols. Es war das erste Mal, dass in der Bundesrepublik Angehörige eines als kriminell geltenden Zuwanderer-Clans auf diesem Feld aktiv wurden.
Die Ermittler an der Weser fürchteten daher, dass es zu einem neuen, blutigen Rockerkrieg kommen könnte, der schnell auch andere Städte infizieren würde. Oder, nicht weniger bedrohlich, dass sich die Hells Angels und der Ethno-Clan verbrüderten. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera. »Wir beobachten beide
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