Römischer Lorbeer
hörte auf,
in die Ferne zu sinnieren, und räusperte sich. »Soll ich
sie hereinführen, Herr?«
»Ich will sehen,
ob ich dich recht verstanden habe: Zwei Fremde unbestimmten
Geschlechts, die sich weigern, ihre Namen zu nennen, klopfen in der
gefährlichsten Stadt der Welt an die Tür eines Mannes,
der sein Leben damit zugebracht hat, sich Feinde zu machen, und du
fragst, ob du sie hereinführen sollst? Ja, warum denn
nicht?«
Mein Sarkasmus war
offenbar zu subtil, denn Belbo nickte und verließ das Zimmer,
bevor ich ihn zurückhalten konnte.
Kurz darauf kam er mit
meinen Besuchern zurück. Ich erhob mich, um sie zu
begrüßen, und stellte fest, daß Belbos Augen
durchaus noch scharf waren, wahrscheinlich sogar besser als meine
eigenen. Hätte ich dieses Paar auf der Straße oder auf
dem Forum gesehen, hätte ich sie möglicherweise für
das genommen, was sie zu sein schienen: ein recht kleiner junger
Mann mit feinen Zügen, bekleidet mit einer schlechtsitzenden
Toga und einem breitkrempigen Hut (trotz des nicht gerade sonnigen Wetters),
und eine deutlich ältere und größere Frau,
eingehüllt in eine Stola, die sie sittsam von Kopf bis
Fuß bedeckte. Doch bei näherer Betrachtung kamen mir die
beiden doch seltsam vor.
Ich konnte den
Körper des jungen Mannes unter den Falten seiner
übergroßen Toga nicht erkennen, doch mit seinem Gesicht
stimmte irgend etwas nicht; auf seinen Wangen zeigte sich nicht das
geringste Anzeichen von Bartwuchs, und seine sorgfältig
manikürten Hände bewegten sich mit einer Anmut, die
keinesfalls maskulin war. Außerdem schien sein Haar, anstatt
flach um seine Ohren und seinen Nacken anzuliegen, nach oben unter
den Hut gestopft worden zu sein, was bedeutete, daß es
ungewöhnlich lang sein mußte. Seine Haarfarbe war
ebenfalls eigenartig - dunkel im Ansatz, wurde es blond, wo es
unter der Krempe seines Huts verschwand, den abzunehmen er sich
standhaft weigerte.
Was die Frau anging,
so verdeckte ein wollener Umhang, den sie sich über den Kopf
drapiert hatte, fast ihr ganzes Gesicht. Doch ich konnte erkennen,
daß ihre Wangen nicht besonders geschickt rosig geschminkt
waren. Die Runzeln an ihrem Hals hingen deutlich lockerer als die
Falten ihrer Stola, die sich um ihren beträchtlichen Umfang
spannte, besonders um die Körpermitte. Ihre Schultern kamen
mir ein wenig zu breit, ihre Hüften hingegen zu schmal vor.
Außerdem paßten auch ihre Hände nicht ins Bild,
denn römische Matronen setzen alles daran, ihre Haut so
blaß als möglich zu erhalten, während ihre dunkel
und wettergegerbt war, als wäre sie über viele Jahre der
Sonne ausgesetzt gewesen. Abgesehen davon konnte man von einer
Frau, die eitel genug ist, sich die Wangen zu schminken, erwarten,
daß sie sich auch um ihre Fingernägel kümmert, doch
die meiner Besucherin waren ungepflegt und bis zum Nagelbett
abgebissen.
Das Paar stand
schweigend neben dem Kohlenrost.
»Soviel ich
weiß, seid ihr hergekommen, um mir einen Besuch
abzustatten«, sagte ich schließlich.
Sie nickten. Der junge
Mann schürzte die Lippen und beäugte mich mit steifer
Miene. Die alte Frau wandte den Kopf, so daß der Kohlenrost
ihre Augen aufscheinen ließ. Zwischen ihren mit Antimon
schwarz gefärbten Wimpern sah ich Besorgnis
aufblitzen.
Belbo holte auf einen
Wink zwei Faltstühle und stellte sie meinem gegenüber
auf.
»Setzt
euch«, forderte ich sie auf. Dem kamen sie nach, wobei sie
nun noch deutlicher demonstrierten, daß sie nicht waren, was
sie zu sein vorgaben. Das Tragen einer Toga ist eine Kunst, wie
auch das einer Stola, nehme ich an. Doch beide stellten sich so
ausgesprochen ungeschickt an, daß es mir höchst
unwahrscheinlich erschien, daß der junge Mann vorher jemals
eine Toga oder seine Begleiterin eine Stola getragen hatte. Ihre
Unbeholfenheit war schon beinahe komisch.
»Wein?«
bot ich an.
»Ja!«
sagte der junge Mann und beugte sich mit plötzlich lebhafterem
Gesicht nach vorne. Seine Stimme war hoch und seltsam zart, genau
wie seine Hände. Die alte Frau versteifte sich und
flüsterte mit heiserer Stimme: »Nein!« Sie
fummelte nervös an ihren Fingern herum und biß sich
schließlich auf den Daumennagel.
Ich zuckte die
Schultern. »Ich für meinen Teil brauche dringend etwas
gegen die Kälte. Belbo, schick uns eins der Mädchen mit
Wasser und Wein. Und vielleicht etwas zu essen?« Ich sah
meine Gäste fragend an.
Der junge Mann
strahlte und nickte eifrig. Die Frau funkelte ihn an und schlug
nach seinem Arm, daß
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