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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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natürlich, um die Mädel zu beeindrucken, die unten standen und die Ruten aufsammelten. Und dann, wenn mal zwei allein zu zweit kamen und noch ein schöner lauer Herbsttag war, dann zogen sie ihre Kleider aus und lagen unter mir im Gras …« Zwischen den Gräsern am Fuß der Weide beginnt es zu rumoren. »Das war vor eurer Zeit, ihr Knirpse! Damals lebten eure Ururururgroßeltern«, staucht die Weide sie zusammen.
    Ach so, alte Liebesgeschichten? Die Weide hat wohl eine Schwäche für Schmachtfetzen. Das hilft mir jetzt nicht wirklich. Ich bereue schon fast, sie geweckt zu haben, da erzählt sie weiter: »Einmal lag dort der Herr Pfarrer. Der hatte natürlich keine Ruten geschnitten. Und die Frau, die neben ihm lag, die auch nicht.«
    Ich weiß sofort Bescheid: »Die Gerti.«
    Unten am Bach haben sie es also getrieben. Kein Wunder, dass der Christusdorn nichts weiß.
    »So überraschend ist das auch wieder nicht«, bemerke ich sauer.
    Aber eine Mörderin ist die Gerti nicht. Sonst hätte sie das mit den zweideutigen Bemerkungen vom Sepp dem Stuhlinger nicht so arglos präsentiert. Sie hat doch an dem bewussten Abend bloß bei der Berta ihre Brötchen abgeholt. Oder?
    Mein Einwurf war ziemlich unhöflich, wie ich zugeben muss. Doch die Weide ist nicht mal beleidigt, sondern hat es jetzt ganz wichtig: »Nein, die Gerti war es nicht. Die war doch damals noch braunhaarig. Nein, es war eine mit einem blonden Pferdeschwanz. Die Rosi vom Sepp war’s, wenn du es genau wissen willst, du naseweiser Lümmel. Da bist du platt, was? Ja, damals, da war mal alles damals besser … mal damals … bessermals.« Und schon schnarcht sie wieder.
    Jetzt bin ich so platt wie die Glasscheiben vom Gewächshaus.
    Der Herr Pfarrer … und die Rosi? Dann war ja … dann war vielleicht … Dann ist die Anni gar nicht die Tochter vom Sepp, womöglich? Hat sie deshalb solche schönen braunen Locken, wie der Herr Pfarrer angeblich früher auch hatte? Kann das etwas mit dem Mord zu tun haben?
    Es wird allmählich dunkel. Ein phantastischer rosenroter Sonnenuntergang. Oder blutrot? Der Anni ist das wurscht. Sie steht mit dem Rücken zur Sonne mitten in den Rosen und ist total fertig. Seit der Jens in Untersuchungshaft sitzt, muss sie die ganze Arbeit, für die vorher drei Personen da waren, allein erledigen. Sie gähnt. Dann geht sie Richtung Haus. »Du gähntest«, fällt mir wieder ein. Merkwürdig. So was hätte der Sepp doch nie gesagt. Er hat zwar fast alle geduzt, aber ausgerechnet den Pfarrer nie. Außerdem ist das reinstes Preußisch, das wäre dem Sepp nicht über die Lippen gekommen. Höchstens ›du host gähnt‹. Gähnen … gehen … Das klingt ziemlich ähnlich. Vielleicht hat sich der Ahorn ein bisschen verhört? Er hat ja selbst gesagt, dass die Geräusche nur undeutlich aus der Kirche nach außen dringen. Vielleicht hat er etwas gehört, was so ähnlich klang? Gähnen oder gehen … Aber »du gehtest«, das gibt es ja nicht. Das müsste doch »du gingst« heißen. Es muss was anderes sein. Vielleicht hat der Ahorn das »du« bloß dazuphantasiert, damit das Gesagte für ihn einen Sinn ergibt? Gähnen … gehen … gehn …
    Knack. Jetzt macht es »knack« in meinem Geäst. Und plötzlich sitzt jeder Gedanke in der richtigen Astgabel. Ich habe nämlich auch vom Sepp gelernt, mir Sachen zusammenzureimen, nicht bloß die Anni.

Neunzehn
    Jeder weiß, wie ich den Jens hasse. Und jeder weiß, dass er mir dazu auch immer allen Grund gegeben hat. Aber jetzt tut er mir doch irgendwie leid, weil er wegen etwas ins Gefängnis muss, was er gar nicht getan hat, und das wahrscheinlich für längere Zeit. Auch wenn ich persönlich nicht nachvollziehen kann, wieso das so schlimm sein soll. Die Menschen haben etwas gegen Gefängnisse, weil man sich dort nicht wegbewegen kann. Also, ich verstehe ehrlich nicht, was die daran stört. Aber sie wollen dort eben partout nicht hin. Wenn ich ein anständiger Holunder wäre, müsste ich jetzt was für den Jens unternehmen.
    Bin ich ein anständiger Holunder? Ich weiß nicht. Hmmm … kann sein. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Der Jens war jedenfalls nicht anständig zu mir. Da bin ich zu nichts verpflichtet. Nicht zu Mitgefühl und nicht zu Fairness. Oder doch? Als Pflanze darf ich mich doch nicht so schäbig benehmen wie ein Mensch. Ich werde also etwas für den Jens tun.
    Aber was?
    Der Herr Pfarrer ist eigentlich kein böser Mensch. Ein guter ist er auch nicht, sonst hätte er den

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