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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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Sepp nicht umgebracht. Doch er ist nicht von Natur aus, nicht im Keim, nicht von der Wurzel herauf, böse. Man muss den guten Keim in ihm vielleicht nur ein bisschen gießen.
    Aber womit?
    Wir haben einen Plan. Sprich: Die Rosen und ich haben einen Plan. Jetzt heißt es, sich in Geduld zu üben. Geduld ist die Kardinaltugend einer Pflanze. Die Menschen versuchen immer, ihre Probleme in den Griff zu bekommen, indem sie wie aufgescheuchte Hühner hin und her rennen. Klappt selten. Geduld, sage ich da, Geduld.
    Wir müssen jetzt geduldig warten, bis sich der Herr Pfarrer in die Gärtnerei bequemt. Das ist nur eine Frage der Zeit, und zwar einer kurzen Zeit. Er wird doch nicht seine eigene Tochter im Stich lassen, jetzt, wo alle anderen weg sind. Und dass jemand Verdacht schöpft, wenn er sich um die Anni kümmert, muss er auch nicht fürchten. Die Polizei hat ja bereits einen Schuldigen.
    Wie ich erwartet hatte, taucht zwei Tage später der Pfarrer in der Gärtnerei auf, und Plan A tritt in Aktion.
    »Achtung, sie kommen! Du musst deine Stacheln spitzen. Und du musst duften. Duften! «, zische ich zum Rosenquartier hinüber.
    Die »York and Lancaster« gibt etwas verschnupft zurück: »Ich dufte immer . Jedenfalls solange ich blühe.«
    »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Primadonnen-Allüren. Heute musst du eben noch mehr duften als sonst. So, wie du noch nie in deinem Leben geduftet hast. Dass die Anni gar nicht anders kann, als den Herrn Pfarrer zu dir zu führen.«
    Ich muss gestehen, der Duft, der jetzt das Rosenquartier erfüllt, ist wirklich betörend. Folgerichtig dauert es nicht lange, bis die Anni aus der hinteren Türe des Gewächshauses herauskommt. Der Herr Pfarrer folgt ihr mit etwas Abstand. Sein Gang ist unsicher und zögerlich. Die Anni bleibt vor der »Annie Vibert« stehen.
    »Schaugn’s, Herr Pfarrer, des is de Bourbon-Rose ›Annie Vibert‹, noch dera mei Mutter mi benannt hot, weil sie so zoartrosa bliaht und so zoart duftet. Gonz so zoart bin i zwoar ned worn, wie mei Mutter sich’s vorgstellt hot … ober hübsch is’s gell? Und die do, a Moosrose, die hoaßt so ähnlich wia Sie: ›Deuil de Paul Fontaine‹, die hot mei Mutter amoi vo aner Reise noch Frankreich mitbrocht. ›Deuil‹ hoaßt ja ›Trauer‹, gell, ober so traurig schaugt’s goar ned aus. Eher fesch. Ma könnt sich grod in sie verliabn. Und die, des ist die Damaszenerrose ›York and Lancaster‹, die Lieblingssortn vo meiner Mutter. Weil die so schee duftet, am scheesten vo alle. Mei Mutter wußt ned bloß, wia ma de Rosen richtig pflegt, sondern sie hot aa de Gschichtn über de Rosen kennt. Do hot’s doch in England de ›Rosenkriege‹ gebn, zwischen dene weiße Rosen vo York, de hamma aa, do drüben, un dene rote Rosen vo Lancaster, des is die hier, die Rosa gallica ›Officinalis‹. Und wia die sich versöhnt ham, do is de weiß-rote ›York and Lancaster‹ entstandn. Sie wissn jo, mit meim Vatter wor’s oiwei a bisserl schwierig, do hot mei Mutter viel Grund ghobt, sich Versöhnung zu wünschn. De Rosen, de worn des gonze Glück vo meiner Mutter. Sie hot ja ihrn Nomen vo ihnen ghobt. Jetzt is mei Mutter tot, mei Vatter tot und mei Mo im Gfängnis. I bin ganz alloa auf dera Welt.«

    Bei den letzten Worten stehen der Anni schon die ersten Tränen in den Augenwinkeln. Der Herr Pfarrer kommt etwas näher heran und macht eine Bewegung, als ob er sie umarmen wollte, lässt es dann aber bleiben.
    »Nicht doch, Anni, nicht weinen. Sie sind doch nicht allein!«
    »Jo, i woaß, der Herr Jesus is immer do«, presst die Anni unter Schluchzen hervor, »ober, es tuat ma leid, grod im Moment ko ma selbst der Herr Jesus mein’ Vatter ned ersetzn.« Vor Tränen fast blind, greift die Anni nach der Rosenblüte.
    »Jeeeetzt!«, rufe ich, so laut ich kann, und die »York and Lancaster« tut, wie ihr geheißen.
    Ein Stachel fährt in Annis Haut. Sie reißt die Hand zurück. Der Zeigefinger blutet. Das Blut tropft auf den weißen Ärmel vom Herrn Pfarrer.
    Blut … Wein … Brot … Fleisch … mein Fleisch … mein Fleisch und Blut, rattern die Botenstoffe in seinem Hirn.
    »Anni, ich muss Ihnen etwas sagen. Aber erschrecken Sie bitte nicht«, flüstert der Herr Pfarrer kaum hörbar.
    »Wos ko mi no erschrecka, Herr Pfarrer?«
    »Doch, doch, das wird Sie erschrecken, fürchte ich.«
    Und dann packt der Herr Pfarrer so richtig aus. Dass er Annis Vater ist. Dass der Sepp das wusste. Die Rosi hatte es ihm auf dem

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