Rolf Torring 003 - Gelbe Haie
Ast zu Ast herunter. Unten nahm er uns sofort den Koffer wieder ab und bedankte sich für unsere Hilfe. Wir überschritten dann die Lichtung und sahen uns plötzlich in sehr unangenehmer Lage. Wir entdeckten nämlich wieder ein Zeichen Pongos an einer Stelle, von der sich außer dem geraden Pfad noch zwei andere abzweigten. Und eben dieses Zeichen hatte der Bantengstier überrannt. Der geknickte Zweig war aus der Erde gerissen und fort geschleudert worden. Jetzt war guter Rat teuer, denn Pongo hätte das Zeichen sicher nicht mitten auf die Pfadkreuzung gesetzt, wenn unser Weg geradeaus führen sollte. Dann hätte er nur einen Zweig in entsprechender Richtung umzuknicken brauchen. Also sollten wir einen der abzweigenden Wildwechsel benutzen. Aber welchen nun? Rolf brummte leise vor sich hin. Ich wußte, daß er jetzt scharf überlegte. Auch ich dachte eine Weile völlig nutzlos nach, bis es mir einfiel, den kleinen Tomo zu fragen, der vielleicht zufällig den richtigen Weg wußte. Als ich mich zu ihm umdrehte, machte er eine warnende Bewegung und legte den Finger auf die Lippen. Sofort stieß ich Rolf an, der mit seinem Brummen aufhörte und sich ebenfalls dem Malaien zuwandte. Tomo lauschte angestrengt in den links abzweigenden Pfad hinunter, dann winkte er uns plötzlich zu und zog uns über die Lichtung hinter ein mächtiges Bambusgebüsch. „Tuan, Mann kommt leise", flüsterte er dabei. Wir duckten uns unter die schützenden Zweige, gaben aber acht, daß wir die Lichtung und den Pfad überblicken konnten. Geraume Zeit verstrich, und schon wollte ich Tomo fragen, ob er sich nicht getäuscht hätte, als plötzlich ein Chinese aus dem Pfad auftauchte. Es war ein hünenhafter Mensch mit Augen, die unruhig und mißtrauisch hin und her wanderten. Er trug einen schmutzig-weißen Leinenanzug mit breitem Ledergurt, aus dem die Kolben zweier Pistolen und der Griff eines Messers ragten. Er machte den Eindruck eines gefährlichen Gegners, mit dem absolut nicht zu spaßen war.
Jetzt betrat er die Lichtung, stutzte einen Augenblick beim Anblick des toten Stieres und riß dann sofort eine Pistole aus dem Gürtel. Wir wagten kaum zu atmen, als sein Blick über das Gebüsch hinweg streifte, hinter dem wir kauerten; er schien aber endlich zu der Überzeugung zu kommen, daß sich die Leute, die den Stier getötet hatten, nicht mehr auf der Lichtung befinden, und schritt langsam auf den mächtigen Körper zu. Kopfschüttelnd betrachtete er die verschiedenen Einschlagstellen unserer Kugeln, die ihm wegen ihrer Kleinheit wohl auffallen mußten. Plötzlich schien ihm ein Gedanke zu kommen. Er richtete sich mit jähem Zusammenzucken auf, drehte sich schnell um und spähte den Pfad entlang, der geradeaus hinabführte. Dann nickte er befriedigt und verließ mit leisen, aber weit ausholenden Schritten die Lichtung, indem er den linken Pfad einschlug, den er heraufgestiegen war.
Wir warteten noch eine geraume Zeit, ehe wir das schützende Gebüsch verließen. Dann sagte Rolf: „Ich bin überzeugt, daß dieser Pfad, der hier geradeaus führt, irgendein Geheimnis birgt, das dem, der es nicht kennt, den Tod bringt. Vielleicht irgendeine Fallgrube für Wild mit spitzen Pfählen oder auch irgendeine große Raubkatze, die dort ihren ständigen Standort hat. So ähnlich wie der berüchtigte ,man eater', ,Menschenfresser' Ostindiens. Warum sollte es hier nicht auch solche Tiger geben? Nun, wir werden wenigstens diesen Pfad vermeiden und dem Chinesen folgen. Also Ruhe und Vorsicht." Langsam schlichen wir den Pfad hinunter. Es war sehr unangenehm, daß er sich in dauernden Windungen hinzog, denn hinter jeder Biegung konnten wir auf einen Feind treffen. Stets hieß es, erst vorsichtig horchen und dann um die Ecke schauen, ob das nächste, gerade Stück des Weges auch frei und gefahrlos sei. Rolf hatte diese gefährliche Aufgabe übernommen, und obwohl er sich sehr beeilte, kamen wir doch für meine Empfindungen unendlich langsam vorwärts. Aus dem Erscheinen des Chinesen konnten wir schließen, daß sich Fu Dan in der Nähe befand, selbstverständlich mit Ellen Abednego, der geraubten Tochter des Lords. Und da drängte es mich förmlich, ihr zu Hilfe zu eilen und sie aus den Händen der gelben Kerle zu befreien.
Beinahe zwei Stunden dauerte unser Abstieg. Während dieser Zeit aßen wir gedörrtes Fleisch aus dem Vorrat, den uns die Legionäre mitgegeben hatte, denn jetzt waren wir seit Tagesanbruch bereits weit über acht Stunden unterwegs, die
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