Rolf Torring 015 - An Tibets Grenze
besitzen die Fähigkeiten, sich aus jeder Gefahr zu retten. Den größten Eindruck hat die Erzählung des Kapitäns auf mich gemacht, daß Sie die junge Frau Violette aus den Händen der Mädchenhändler in Penang retteten. Da kamen meine alten Zweifel, die mir ja nur immer die Hoffnung eingibt, wieder, ob es nicht doch möglich sei, mein Glück wiederzufinden."
„Wenn wir Ihnen dabei behilflich sein können tun wir es sofort," sagte Rolf.
„Ich danke Ihnen, Herr Torring. Ich werde Ihnen erzählen, weshalb ich fünfzehn Jahre als Einsiedler in dem einsamen Tempel lebte. Ich war mit geologischen Studien in der Gegend dort beschäftigt. Meine Frau und unser fünfjähriges Mädchen Charlotte hatte ich in Kalkutta bei einer befreundeten englischen Familie zurückgelassen Eines Tages rettete ich den Priester des Tempels, der von einer Cobra gebissen war, da ich das Serum gegen das Gift bei mir trug.
Jetzt konnte ich in den Tempel kommen wann ich wollte. Das alte Bauwerk interessierte mich ungemein und ich verbrachte fast meine ganze freie Zeit bei den Indern. Ich wußte ja nichts von dem furchtbaren Bluttempel im Innern des kleinen Berges.
Ein halbes Jahr war ich schon dort, da erschien plötzlich meine Frau Inge mit unserem Mädel. Sie hatte so große Sehnsucht bekommen, daß sie die weite Reise in Begleitung eines indischen Dieners unternommen hatte.
Meine Freude war natürlich sehr groß, wir erhielten vom Oberpriester Räume im Tempel und führten ein glückliches Leben Darm bekam ich aber einen schweren Fieberanfall, der mich zwei Wochen ohne Bewußtsein aufs Krankenlager warf. Und als ich endlich wieder zur Besinnung kam, waren meine Frau und mein Kind verschwunden
Der Oberpriester wollte mir erzählen daß sie mit dem Diener Thassa geflohen seien, aber ich konnte es mir nie denken, sondern nahm an, daß sie bei einem Spaziergang einem Tiger zum Opfer gefallen seien. Deshalb blieb ich auch dort in der Gegend, dort war ich glücklich gewesen, und dort hatte ich mein Glück wieder verloren
Jetzt möchte ich fast fürchten daß die Priester sie vielleicht in ihrem furchtbaren Tempel geopfert haben aber ich glaube, daß der Oberpriester, der mir sein Leben verdankte, so etwas nicht getan hätte.
Freiwillig ist meine Frau nicht von mir fortgegangen das weiß ich ganz bestimmt. Dann bleibt also nur noch übrig, daß sie von Thassa verschleppt wurde. Aber wie sollte ich sie wiederfinden?
Meine Hoffnung ist aber plötzlich stark geworden nachdem ich Sie, meine Herren, kennen gelernt habe. Glauben Sie, daß es Ihnen möglich sein könnte, die Verschollenen zu finden? Es sind nun fünfzehn Jahre her.'
„Unmöglich ist nichts," sagte Rolf ernst, „aber in Ihrem Falle ist das Suchen natürlich sehr schwer. Es ist ja alles so unbestimmt."
Ja, das ist es allerdings," sagte der Professor betrübt , "Jch wäre Ihnen aber sehr dankbar, wenn Sie wenigstens den Versuch machen würden Alle Kosten würde ich natürlich tragen, denn mein Vermögen hat sich in den langen Jahren beträchtlich erhöht Ich habe von Jahr zu Jahr an meine Bank Nachricht geschickt, daß ich noch am Leben sei. Denn die Hoffnung ist nie ganz in meinem Innern erloschen"
„Gut Herr Professor, ich für meinen Teil helfe Ihnen gern, und ich bin überzeugt, daß meine Gefährten auch gern dabei sind." Auf unsere sofortige Zustimmung fuhr er fort: „Es handelt sich jetzt zuerst darum, wenigstens einen geringen Anhaltspunkt zu finden. Und dazu muß uns die Person des Thassa dienen. War er ein Hindu?"
„Er stammte aus Nepal, mehr weiß ich auch nicht von ihm. Ich habe ihn in Kalkutta kurz vor meiner Expedition engagiert"
„Wissen Sie, aus welchem Ort er stammte?"
„Ja, aus Parsa."
„Ah, das ist ja das Städtchen nahe der Grenze. Es liegt in der sogenannten Tarai. Dann müssen wir dorthin und dort unsere Nachforschungen beginnen. Da wir ja doch einige Zeit noch warten müssen, bis der Lord zum Bewußtsein gekommen ist, werde ich inzwischen durch Herrn Brough für uns Empfehlungen an den Fürsten von Nepal ausstellen lassen Ich hoffe, daß wir in acht Tagen aufbrechen können."
„Das ist sehr angenehm," versicherte der Professor freudestrahlend, „dann kann ich mir inzwischen auch einen größeren Geldbetrag überweisen lassen Meine Herren, ich danke Ihnen von ganzem Herzen."
„Wollen Sie Ihren Tiger mitnehmen?"
„Nein, ich werde die Prinzessin bitten, ihn gut zu pflegen. Er würde uns doch zu sehr hindern."
Rolf hatte richtig prophezeit.
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