Rolf Torring 041 - Vogelfrei
stimmen, denn bisher hatten wir kaum welche zu Gesicht bekommen, noch waren wir von ihnen belästigt worden. Er hatte uns wohl nur Angst machen wollen, damit wir seine Dienste als Führer in Anspruch nehmen würden.
Wir waren in den letzten beiden Tagen, zum Teil hatten wir auch die Nächte zu Hilfe genommen, ein schönes Stück vorwärts gekommen, und zu unserer großen Beruhigung waren wir nicht mit Buschreitern zusammen getroffen. Da war es schließlich kein Wunder, daß wir nach und nach wieder etwas dreister wurden und nicht immer die nötige Vorsicht walten ließen. Doch das sollte uns zum Verhängnis werden.
Für gewöhnlich benutzten wir ja jede nur denkbare Deckung und machten oftmals große Umwege, anstatt einfach die freie Savanne zu durchqueren.
Gewiß, hier stand ja auch hin und wieder ein Busch oder Baum, aber man war immer im Zweifel, ob sich nicht wilde Tiere in ihrem Schatten gelagert hatten, und wir wußten aus Erfahrung, daß sie ungern gestört werden wollten. Wenn wir also Deckung vor den Menschen suchten, liefen wir Gefahr, Löwen oder Leoparden zu begegnen.
„Bald Fluß kommen," sagte Pongo am Abend des dritten Tages. „Pongo Wasser riechen!"
Er roch alles. Aber ich hatte den Eindruck, als ob er diesen Ausdruck reichlich allgemein anwandte. Sein Sprachschatz war eben nicht reichhaltig genug, uns die feinen Unterschiede verständlich zu machen, die man zum Teil in dem Sammelbegriff "wittern" ausdrückt.
Ein klein wenig hatte ich ihn auch im Verdacht, daß er uns absichtlich nicht mehr hinter die Geheimnisse seiner Kunst kommen ließ, als er für gut hielt. Wenn wir ihn allerdings direkt fragten, wie es möglich sei, daß er etwas wahrnehme, wovon wir noch nichts merkten, so gab er uns bereitwillig Auskunft, doch lieber war es ihm, wenn wir seine überragenden Fähigkeiten auf diesem Gebiet einfach als Tatsache hinnahmen und ihn nicht mit Fragen quälten. Er fand es jedenfalls ganz natürlich, daß er diese Gabe hatte, die bei Naturvölkern ja ganz anders ausgeprägt ist als bei Menschen, die der Natur entfremdet sind.
Also ein Fluß sollte bald in Sicht kommen. Nun, wenn seine Überquerung nicht mit großen Umständen verbunden war, so kam uns Wasser immer gelegen. Dann konnten wir doch Tee kochen und uns gehörig waschen, was bei dieser Hitze immer als eine große Wohltat empfunden wird.
Wir waren noch ein gutes Stück marschiert und konnten schon den Waldstreifen erkennen, als Rolf den Vorschlag machte, einfach in gerader Richtung darauflos zu marschieren. Hatten wir bisher Glück gehabt, so würde es uns auch wohl weiter treu bleiben.
Pongo machte ein bedenkliches Gesicht.
»Nicht gut, Massers," warnte er. „Wenn Askari kommen, was dann machen?"
„Dann reißen wir aus!" erwiderte Rolf gutgelaunt.
Das war leicht gesagt, aber an die Möglichkeit, daß es sich als wirklich nötig erweisen würde, dachte er natürlich nicht. Ich war von Rolfs zuversichtlicher Stimmung angesteckt worden und machte auch noch einen faulen Witz. Aber unser Pongo war anderer Meinung, und ich sah ihm an, daß er mit uns unzufrieden war, weil wir seine Warnungen nicht beachteten.
Jetzt waren wir schon bedeutend näher an den Fluß herangekommen, und von einer Höhe aus sahen wir stellenweise sein blankes Wasser.
„Es scheint so, als wenn er viel Wasser führt," sagte Rolf. „Hoffentlich macht seine Überquerung keine Schwierigkeiten."
Doch wir hatten schon so viele Flüsse überschreiten müssen, und Pongo hatte immer Rat gewußt, deshalb machte ich mir auch darüber keine Sorgen. Ich freute mich auf das erfrischende Bad, das wir bald nehmen konnten; waren wir doch nun bald dort.
Wir wollten soeben den Waldstreifen betreten, das Ufer war hier felsig und nur spärlich mit Busch bewachsen, da blickte Pongo sich noch einmal sichernd um, und dann fühlte ich, wie er mir seine Hand auf die Schulter legte. Als ich mich umwandte, sah ich in sein ganz verstörtes Gesicht.
„Massers. jetzt fliehen vorbei!" stieß er hervor.
„Dort Askari!"
Erschrocken blickten auch wir unseren Weg zurück, und schon erkannten wir die große Gefahr, in der wir schwebten: mit bloßem Auge konnten wir erkennen, daß Reiter hinter uns hersprengten!
Was nun?
Hätten wir doch Pongos Rat befolgt und wären wir vorsichtiger gewesen! Doch nun nützten alle Selbstvorwürfe nichts.
„Massers kommen!" riß Pongo uns aus unserem Überlegen, „schnell laufen!"
Damit stürmte er durch die Büsche, und wir hinterher. Es war kein
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