Rolf Torring 053 ~ Im furchtbaren Gran Chaco
dessen Nähe sich das niedergebrannte Feuer befand — aber auch die Ameisen.
Deutlich sahen wir, daß er zwei Körper hinter sich herzog. Er ging soweit wie möglich an das Ufer und legte die reglosen Gestalten auf das Land.
Dann machte Pongo kehrt und schoß in prachtvollem Hechtsprung ins Wasser. Dicht vor uns tauchte er auf und sagte ruhig:
„Siafus noch am Ufer. Massers hier bleiben müssen."
Wir mußten also notgedrungen bis Tagesanbruch noch im Wasser bleiben, bis sich die Ameisen in ihren Schlupfwinkel zurückgezogen hatten.
Und wenn es auch äußerst unbequem und lästig war, so spürten wir wenigstens keine Schmerzen von den Bissen der Ameisen mehr.
Um die lange Wartezeit zu verkürzen, fragte ich Rolf:
„Was wollen wir jetzt beginnen? Wollen wir weiter nach Nordwest vordringen, um die beiden Verschollenen aufzusuchen?"
„Ja, wir müssen uns überzeugen, ob Calcalets Worte, daß sie verdurstet seien, auf Wahrheit beruhen. Aber allein können wir es jetzt nicht machen. Wir müssen zurück und aus dem Tobadorf Unterstützung holen. Doch jetzt wollen wir ruhig sein. Ich traue nämlich diesem Matchu, dem Genossen Huainas, nicht recht. Es kann leicht sein, daß er uns ebenfalls nachgeschlichen ist, um sich zu überzeugen, ob Huaina und Calcalet ihr Vorhaben durchführen konnten."
„Da hast du allerdings recht," gab ich betroffen zu, „daran hätte ich nicht gedacht!"
Und anstatt in aller Ruhe den Morgen abwarten zu können, lauschte ich jetzt wieder in angestrengter Gespanntheit in den dunklen Wald, ob nicht ein verdächtiges Geräusch das Herannahen des Toba-Indianers Matchu verraten würde.
Ein Gutes hatte diese Spannung, die Zeit verrann uns bedeutend schneller. Ich hielt meinen Arm mit der Armbanduhr immer so, daß die Uhr selbst sich außerhalb des Wassers befand. Wenn sie auch wasserdicht gearbeitet war, so wollte ich doch vorsichtig sein.
Und zu meiner Überraschung merkte ich, so oft ich einen Blick auf das leuchtende Zifferblatt warf, wie schnell doch die Zeit verstrich. Es konnte höchstens noch eine halbe Stunde bis Tagesanbruch sein.
Gerade wollte ich Rolf sagen, daß wir doch jetzt schon an Land waten könnten, da sich die Ameisen aller Wahrscheinlichkeit nach verzogen hätten. Doch da hörte ich Geräusche, die mir sofort alle Gefahren, die wir hier noch zu erwarten hatten, wieder vor Augen brachte.
Das eine Geräusch war das leise Krachen eines trockenen Astes. Das konnte nur ein Mensch gewesen sein, denn ein Raubtier hätte ein solches Geräusch nicht hervorgebracht. Also hatte Rolf doch wohl recht, daß Matchu heranschlich.
Ein zweites Geräusch war das entfernte Jaulen eines Jaguars. Es klang von der östlichen Seite her; vielleicht war es derselbe, der durch das Herannahen der Ameisen von der Tränke verscheucht worden war.
„Achtung," zischelte Rolf. „Matchu wird kommen. Pistolen bereithalten!"
Es war uns natürlich unmöglich gewesen, während der vielen Stunden unsere Waffen über Wasser zu halten. Wir konnten uns ja auch darauf verlassen, daß sie stets schußbereit blieben, auch wenn sie länger unter Wasser waren.
Jetzt zog ich sofort die rechte Pistole heraus und hielt sie dicht über dem Wasserspiegel nach dem südöstlichen Waldrand gerichtet, aus dem das Knacken des trockenen Astes erklungen war. Eine Viertelstunde verstrich so. Dann folgte das leise Rauschen von Zweigen. Da drängte sich ein Mensch durch die Büsche, vermutlich Matchu, der Toba-Indianer, der mit Huaina zusammen verschiedene Expeditionen gemacht hatte und mit ihm zusammen auch den Gelehrten Huerta lange Zeit gefangen gehalten hatte.
Meine angespannte Aufmerksamkeit wurde aber wieder abgelenkt. Ein leises Jaulen von der östlichen Seite der Lichtung her bewies die Nähe des Jaguars. Zwischen beiden Feinden mußten wir unsere Aufmerkerksamkeit teilen.
Minutenlang blieb alles ruhig. Der nahende Mensch hatte natürlich das Jaulen der Raubkatze auch gehört, und wenn es Matchu war, wie wir sicher annehmen konnten, dann kannte er auch die Gefahr, die damit verbunden war.
Andererseits mußte aber auch der Jaguar die Annäherung eines Menschen gemerkt haben. Und dann vergrößerte er natürlich seine Vorsicht.
„Scharf aufpassen," flüsterte Rolf. „Du den Jaguar, Hans."
Wir standen so, daß ich links von mir den östlichen Waldrand hatte, aus dem das
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