Rolf Torring 069 - Opium
vorspringenden Backenknochen der Chinesen noch die unergründlich lächelnden Gesichtszüge des Asiaten.
Ich hatte ihn wohl zu forschend betrachtet, denn er wandte mir plötzlich den Blick wieder zu. Auf seinem Gesicht stand ein verwunderter Ausdruck. Deshalb blickte ich schnell fort.
Wir gingen vorsichtig weiter und wandten uns oft um, ob wir nicht einen Verfolger bemerkten. Aber wir konnten nichts entdecken. Je weiter wir auf die Innenstadt Neu-Goas zukamen, um so lebhafter wurde auch der Verkehr trotz der starken Hitze.
Mit Genugtuung stellte ich fest, daß wenigstens kein Chinese dicht hinter uns war. Sie waren zwar in dem Völkergemisch zahlreich vertreten, beachteten uns aber nicht im geringsten. Ein Verfolger hätte sich sicher durch eine Kleinigkeit verraten.
Endlich kamen wir zum Palast des Residenten. Noch einmal spähten wir die Straße zurück, konnten aber nichts Auffälliges bemerken. Wir betraten den Park, der das Gebäude umgab.
Pongo kam uns mit Maha entgegen. Er sah an unseren Anzügen, die selbstverständlich gelitten hatten, sofort, daß uns etwas zugestoßen sein mußte.
„Oh, Massers Gefahr gehabt?" erkundigte er sich teilnahmsvoll.
„Ja, Pongo," sagte Rolf, „wir haben uns in sehr großer Gefahr befunden. Beinahe wären wir nicht wiedergekommen. Aber heute Nacht gehen wir noch einmal in die alte Stadt. Dabei sollst du uns begleiten."
„Pongo machen," erklärte der schwarze Riese. „Wann Massers gehen wollen?"
„Einige Stunden nach Einbruch der Dunkelheit," sagte Rolf. „Wir wollen gegen jeden Menschen über unser Erlebnis schweigen. Wir sind hier auf völlig fremdem Terrain und können nicht wissen, was in der alten verlassenen Stadt gespielt wird."
„Dann willst du also auch dem Residenten gegenüber schweigen?" fragte ich verwundert.
„Ja, ich will erst mit festen Tatsachen aufwarten können, aber wir wollen ihn fragen, ob ihm etwas davon bekannt ist, daß in den Ruinen merkwürdige Dinge vor sich gehen. Es wäre erstaunlich, wenn die Leute ihr Unwesen bisher hätten völlig unbemerkt treiben können."
Paul Otario, der Resident Goas, kam uns in der Diele seines Palastes entgegen. Er musterte erstaunt unsere Anzüge und fragte:
„Haben Sie einen Unfall erlitten, meine Herren?"
„Ein kleines Mißgeschick," sagte Rolf lachend, „wir sind in einen alten Brunnenschacht gerutscht, als wir die Ruinen Alt-Goas durchsuchten. Es war aber sehr interessant."
„Haben Sie etwas Besonderes bemerkt?" fragte der Resident eifrig. „Haben Sie Menschen gesehen in den Ruinen?"
"Nein!" Rolf tat sehr verwundert. „Wieso? Sind nach uns andere Touristen in die Ruinenstadt gegangen? Wir haben niemand getroffen."
Das nicht," meinte der Resident etwas verlegen, „aber es geht in der Stadt das Gerücht um, daß es im alten Goa nicht ganz geheuer sei. Die meisten Eingeborenen zum Beispiel würden unter keinen Umständen nachts die Ruinen betreten. Tatsächlich sind Wagehalsige, die den Spuk lachend aufklären wollten, spurlos verschwunden."
„Haben Sie Nachforschungen nach ihnen angestellt?" fragte Rolf interessiert.
Ja, aber wir konnten keine Spur von ihnen finden," sagte Otario. „Dreimal haben Polizei und Militär die Ruinen genau durchsucht."
„Vielleicht sind die Waghalsigen auch in einen verborgenen Schacht gestürzt, wie es uns heute passierte," sagte Rolf. „Nur konnten sie sich wohl nicht befreien, übrigens sind einige Gebäude recht gut erhalten. Darüber haben wir uns gewundert."
„Das bekräftigt die Spuklegende," gestand Otario zögernd. „Einige Gebäude, die einzustürzen drohten, sind von unbekannter Hand ausgebessert worden. Daran hatten wir kein Interesse, solange niemandem ein Schaden daraus erwachsen ist. Aber das Volk glaubt fest daran, daß im alten Goa die Geister der früheren indischen Fürsten umgehen."
„Sehr gut," meinte Rolf lachend, „ich habe allerdings noch nie gehört, daß Geister auch Häuser ausbessern. Ich sehe, daß Sie es eilig haben, Herr Otario. Nur kurz noch eine Frage bitte: wir sind am Meeresstrand zurück gelaufen und stießen auf die Lagerschuppen der Spedition Ne Lung. Ich war einigermaßen erstaunt, daß der Chinese hier ein so großes Unternehmen aufgebaut hat. Besitzt der Hafen von Goa einen so großen Umschlagverkehr?"
„Ne Lung ist sehr tüchtig und vielseitig," berichtete der Resident.
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