Rolf Torring 078 - Die Macht des Gottes
ihn stets beobachten, da wir seine Rachsucht kannten.
Durch die Verbrechen, die er hier verübte, wollte er nicht nur sich bereichern, er wollte auch die heilige Stätte des Gottes Gaya in Verruf bringen. Machen Sie Anspruch auf den Täter, Herr Colonel? Oder wollen Sie ihn unseren Gerichten überlassen?"
„Ich bin gezwungen, ihn durch unsere Gerichte aburteilen zu lassen," erwiderte Cormick, der einen etwas verstörten Eindruck machte.
„Dann nehmen Sie ihn," sagte der Alte ruhig.
Er wandte sich den beiden reglosen Gestalten auf dem Boden zu und blickte sie an. Nach kurzer Zeit bewegte sich Pongo und nahm seine Hand aus dem Klammergriff des Inders heraus, wollte mit dem Haimesser ausholen, ließ aber den Arm gleich wieder sinken. Langsam stand der schwarze Riese auf und blickte mit einem unbeschreiblichen Gesichtsausdruck auf den Inder zu seinen Füßen herab, dessen Handgelenk er bereits losgelassen hatte.
Steif blieb der Inder in der Stellung liegen, in der ihn die geheimnisvolle „Macht des Gottes" gebannt hielt.
„Nehmen Sie ihn hin und bestrafen Sie ihn nach Ihren Gesetzen!" sagte der alte Priester zu Colonel Cormick. „Er bleibt bis zu seinem Lebensende doch in der Macht des Gottes Gaya, den er verraten hat"
„Soll er so bleiben, Naghi?" fragte der Colonel und deutete mit einem Finger auf den am Boden Liegenden.
„Ja, er bleibt vorläufig in meiner Gewalt. Die Wertsachen, die er geraubt hat, werden sich wohl — so weit sie noch vorhanden sind — in der Nähe befinden, wo ich seinen Schlupfwinkel vermute. Ich werde durch meine Priester nach ihnen suchen lassen."
Der Greis verbeugte sich in gemessener Haltung vor uns, blickte uns noch einmal mit großen Augen an und verschwand in dem dichten Busch, aus dem er gekommen war.
Wir sahen uns an. Erstaunen lag auf allen Gesichtern. Rolf sagte leise:
„Herr Cormick, wer war das?"
„Der oberste Priester des Tempels," sagte der Colonel. „Er besitzt die größte Macht in Gaya. Wir haben seine geheimnisvollen Kräfte ja auch gespürt, wenngleich er sie als die 'Macht des Gottes' bezeichnet hat."
Rolf nickte stumm. Wunderland Indien, dachte er wohl, du beherbergst Geheimnisse, die ewig ein Rätsel bleiben werden, die sich auch mit Tatsachen wie Hypnose nicht ohne weiteres erklären lassen.
Der Inder Garra blieb in seiner unnatürlichen Haltung, bis er nach wenigen Tagen abgeurteilt wurde und seine Schandtaten büßte. Doktor Thomson hatte vergeblich versucht, die "Macht des Gottes" zu brechen
Mitchell erhielt seinen alten Posten als Kriminalinspektor wieder, auch Deslay wurde wieder in sein Amt eingesetzt. Wir hatten in ihnen zwei Menschen gewonnen, die uns ihr ganzes Leben dankbar sein würden.
Unsere Reise führte uns nach Benares. Schon auf der Fahrt nach dem bekannten Wallfahrtsort am Ganges begann das neue Abenteuer, das uns wieder in gefährliche Situationen brachte. Wieder lernten wir eine eigenartige Macht kennen, aber eine Macht, die nicht wie im Falle des Oberpriesters Naghi zum Guten verwandt wurde, sondern die im Bösen ihr Ziel hatte.
Benares ist übrigens die Stadt, von der aus ein lebhafter Handel mit dem heiligen Gangeswasser getrieben wird. Der Versand reicht in die fernsten Teile des indischen Landes. Die Einwohner von Benares verdienen durch den Vertrieb des Wassers jährlich eine ansehnliche Summe.
Das hängt aber mit dem Abenteuer, das wir erlebten, nicht zusammen. Spannend wie der vorliegende Band ist auch
Band 79
geschrieben, den ich betitelt habe:
„Doktor Gallas Spinnen".
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