Rolf Torring 078 - Die Macht des Gottes
Woher das Geräusch gekommen war, konnten wir nicht mehr ausmachen. In seiner Art hatte es merkwürdig geklungen. Es war ein Blasen gewesen, als hätte ein großes Tier Luft geräuschvoll durch die Nase ausgestoßen.
Rolfs Gesichtszüge waren gespannt. Die Augen hatte er etwas zusammengekniffen. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er bereits eine leise Ahnung hatte, was für ein Wesen ein solches Geräusch von sich gegeben haben konnte.
Wieder ertönte das Schnauben, jetzt deutlich von der rechten Seite des Buschstreifens her, an der die Felder lagen. Wir schnellten herum. Aber die Büsche lagen ganz ruhig da. Nicht das leiseste Zittern eines Busches verriet, daß sich dort ein lebendes Wesen aufhielt.
„Er wird auf dem Weg sein," flüsterte Rolf. „Wir wollen hinaus. Aber Vorsicht! Wir haben es mit einem gefährlichen Gegner zu tun."
„Du weißt schon, was für ein Untier hier umher geistert?" fragte ich gespannt.
„Ich vermute es wenigstens," gab Rolf leise zurück. „Es ist die einzige Erklärung, die für die eigenartigen Verletzungen in Frage kommt."
Er sprach seine Vermutung aber nicht aus, sondern schritt uns langsam und vorsichtig voraus, die Pistole halb erhoben, um jederzeit schußbereit zu sein. Eine unheimliche Spannung hatte sich unser bemächtigt. Wir wußten, daß das rätselhafte Wesen, das so furchtbare Wunden schlug, in nächster Nähe war. Rolfs Warnung hatte uns auf den Ernst der Lage noch ausdrücklich aufmerksam gemacht.
Dazu kam die Stimmung der Mondnacht im Buschstreifen. Die scharfen Schatten standen wie mit Tusche gezeichnet auf dem Boden. Die Stimmen unzähliger Insekten schwirrten durch die Nacht. Kleine Affen kreischten. Nachtvögel stießen Schreie aus, die uns das Blut in den Adern gerinnen ließen. Sie mußten durch irgendeinen Vorfall gestört sein.
Ich war froh, als wir endlich aus dem Buschgürtel heraustraten und das freie Feld vor uns hatten. Wir befanden uns auf einer halbkreisförmigen Lichtung, die mit dem Weg abschnitt.
Auf einer der beiden Seiten der Lichtung mußte sich das unheimliche Wesen befinden. Wir mußten scharf aufpassen, wenn wir die Blöße überquerten und auf den schmalen Weg hinaustraten.
Wir rissen gleichzeitig die Pistolen hoch. Auf der rechten Seite war eine Gestalt erschienen. Aber die Hände sanken sofort hinab: es war der Polizist, den der Colonel geschickt hatte, um Pongo und Maha zu holen.
„Nun," rief Cormick, „was gibt es? Wo ist Pongo?"
Der Mann kam schnell näher und meldete, daß Pongo mit Maha bereits die Spur des Mordwesens aufgenommen habe. Dem Polizisten habe er empfohlen, auf dem Wege zu bleiben, da er vermutete, daß seine "Massers" aus dem Buschstreifen bald wieder hervortreten würden. Er selbst sei mit dem Gepard zwischen den Büschen verschwunden.
„Gut," sagte Rolf, als der Polizist seinen kurzen Bericht beendet hatte, „dann wollen wir hier auf Pongo warten. Ich vermute, daß er nicht weit entfernt von uns mit Maha aus dem Busch herauskommen wird. Unser Gegner ist ganz in der Nähe. Haben Sie etwas gesehen oder etwas Verdächtiges bemerkt?"
„Wahrscheinlich," sagte der Beamte etwas zögernd, „ich glaubte aber, daß mich das Mondlicht genarrt haben müßte. Mir schien es, als ob eine riesige, zottige Gestalt blitzschnell aus einem Busch auftauchte, im nächsten Augenblick jedoch gleich wieder verschwand. Ich eilte an die Stelle. Als ich dort war, hörte ich nichts und sah nichts. So nahm ich an, daß ich mich getäuscht haben müßte."
„Können Sie die Stelle genau bezeichnen, wo Sie das Erlebnis hatten, daß Ihnen zuerst wie ein Spuk der Nacht erschien?" fragte Rolf rasch.
„Wenige Schritte vor Beginn der Lichtung hier," sagte der Polizist, dem inzwischen klar geworden war, daß seine Augen ihn nicht getäuscht hatten. Noch nachträglich lief ihm ein Schaudern über den Rücken.
„Kommen Sie mit, meine Herren!" sagte Rolf. „Vielleicht ist das Untier noch dort. Hoffentlich stoßen wir dort mit ihm zusammen, hier ist der Raum für einen Kampf etwas eng."
Wir wollten vorwärtsgehen — aber wir konnten es plötzlich nicht mehr. Die Glieder gehorchten unserem Willen nicht. Wie angewurzelt blieben wir stehen, unbeweglich. Eine rätselhafte Kraft hatte unseren Blick auf einen großen, dichten Busch am linken Rande der Lichtung gezogen.
5. Kapitel Die Macht des Gottes
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