Rolf Torring 081 - Der Ganges-Dämon
so."
Bei den Worten blickte er den Chinesen forschend an. Kü-Mang wurde offenbar etwas verlegen.
„Gerüchte sind allerdings entstanden, Herr Torring," sagte er, „aber erst seit einigen Wochen. Ich hörte zufällig davon."
„Sie kennen uns?" fragte Rolf etwas erstaunt. „Haben Sie in der 'Khanpur-Gazette' gelesen, daß wir hier eingetroffen sind?"
„Ganz recht, Herr Torring," beeilte sich der Chinese zu versichern. „Ich habe oft Bilder von Ihnen in den Zeitungen gesehen. Und ich fühle mich hochgeehrt, daß Sie mein niedriges Haus durch Ihren Besuch beehrt haben."
„Lassen Sie die Schmeicheleien!" sagte Rolf ernst. „Ich möchte Sie etwas anderes fragen. Pflegen Sie Gäste auf diese Art in Ihr Haus zu locken?"
Zu meiner Überraschung zog Rolf den Zettel hervor, den ihm die Inderin zugesteckt hatte, und gab ihn dem Chinesen. Fast hätte ich den Zettel an mich gerissen, als ihn Kü-Mang auseinander faltete.
Rolf gab unseren größten Trumpf aus den Händen. Unser Verdacht gegen den Chinesen war nur auf den Zettel gegründet.
Kü-Mang las die kurze Aufforderung. Für den Bruchteil einer Sekunde erschrak er. Das war für mich ein Beweis, daß er von der Existenz des Zettels wußte, daß er der Urheber war, obgleich er ihn Rolf sofort zurückgab und sagte:
„Ich bin überrascht, Herr Torring. Sie haben recht, es sieht so aus, als wollte ich auf die Art Fremde ins Haus locken, aber Sie müssen zugeben, daß mein Haus das nicht nötig hat. Die beste Gesellschaft der Stadt verkehrt bei mir."
Er konnte gar keine andere Antwort geben. Ich beobachtete Rolf scharf. Erwartete er, daß Kü-Mang zugab, Fremde durch solche Zettel zum Besuch seines Lokals zu veranlassen?
„Besten Dank!" sagte Rolf, wie mir schien, recht befriedigt. „Ich bitte Sie über das Vorhandensein des Zettels gegen Jedermann zu schweigen. Ich sehe übrigens daß dort drüben einige Herren schon seit längerer Zeit zu Ihnen herüberblicken und möchte Sie Ihren Pflichten nicht länger entziehen. Also nochmals besten Dank und Stillschweigen über den Zettei!"
Kü-Mang mußte ein vorzüglicher Schauspieler sein, wenn er der Urheber des Zettels war. Er machte ein erstauntes, fast verstörtes Gesicht, so daß ich schwankend wurde.
„Selbstverständlich werde ich schweigen, meine Herren," versicherte er. .Ich verstehe das Ganze nicht."
Kopfschüttelnd entfernte er sich und ging zu dem Tisch hinüber, von dem die Herren winkten.
„Gut gespielt," meinte Rolf, als wir allein waren, „aber ich glaube, gerade dadurch hat er sich verraten. Wenn er nichts von dem Zettel gewußt hätte, müßte er anders reagiert haben."
„Trotzdem machte der Chinese einen guten Eindruck auf mich," erwiderte ich. „Natürlich mag es Geschmackssache sein. Und doch komme ich von dem Gedanken nicht los, daß Kü-Mang in irgendeinem Zusammenhang mit dem Verschwinden der Fremden steht."
„Wir werden sehen," sagte Rolf. „Du mußt selbst auch bei ernsthaftem Überlegen zugeben, daß die Besucher seines Lokals einen Verdacht fast zunichte machen."
„Es könnte natürlich auch sein," meinte ich weiter, „daß jemand anders den Zettel geschrieben hat, jemand, der dem Chinesen mißgünstig gesinnt ist. Vielleicht will er ihn dadurch in Ungelegenheiten bringen."
„Ein verzwickter Fall!" murmelte Rolf vor sich hin.
„Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt," meinte ich darauf, da meine Gedanken unaufhörlich um den Zettel kreisten. „Ich glaube doch, daß wir, gerade wir durch den Zettel hierher gelockt werden sollten."
„Da ist aber noch die Geschichte von dem Ganges-Dämon," meinte Rolf nachdenklich. „Wir können jetzt gar nichts weiter sagen. Wir müssen erst einmal abwarten, was der Colonel mit dem jungen Kriminalbeamten erreicht hat."
Kü-Mang kam nicht mehr an unseren Tisch. Er schien überhaupt aus dem Lokal verschwunden zu sein. Wir warteten auf den Colonel. Ich hatte keine rechte Stimmung. Führte der Chinese gegen uns etwas im Schilde? Er hätte noch einmal an unseren Tisch kommen müssen, denn das Gespräch über den geheimnisvollen Zettel war noch nicht beendet. Aber er schien eine weitere Unterhaltung ängstlich zu meiden.
Endlich kamen Colonel Tumbac und Lorry. Bevor sie begannen, ihre Erlebnisse zu erzählen, berichtete Rolf schnell über das Gespräch mit Kü-Mang, wobei er betonte, daß der
Weitere Kostenlose Bücher