Rolf Torring 081 - Der Ganges-Dämon
2. Kapitel Pongo in Gefahr
Der Vorgarten des Restaurants war gepflegt. Ich hatte das Gefühl, daß wir als Fußgänger gar nicht so recht hierher passten, zumal wir Europäer waren.
Das Gefühl mochte auch der Chinese haben, der uns auf der obersten Stufe der kurzen Treppe empfing. Zwar machte er eine tiefe Verbeugung, dann aber blickte er umher, als suche er den Wagen, der uns gebracht hätte, und musterte uns mit erstauntem Ausdruck, als begreife er nicht, daß zwei Europäer zu Fuß kommen könnten.
Ich schritt an ihm vorbei, wobei ich mich innerlich über seine Verblüffung amüsierte. Als wir an einem kleinen Tische Platz genommen hatten, fiel mir das ernste, grübelnde Gesicht Rolfs auf. Ich blickte mich in dem sehr gut besuchten Lokal um.
Wir saßen dicht an der Brüstung, die auf den breiten Gangeskanal führte. Links von dem Bungalow, aber noch auf dem Grundstück des Chinesen, führte eine breite Marmortreppe bis in die Fluten hinunter. Ich hatte auch bei meinem ersten flüchtigen Rundblick gesehen, daß der Bungalow dicht neben den Überresten eines alten indischen Gebäudes errichtet war. Sehr geschickt schienen einzelne Mauern des alten Gebäudes beim Bau des modernen Lokals benutzt worden zu sein.
In dem großen Raum, in dem wir uns befanden, sah ich nur bestes Publikum. Gerade in den großen Städten der Tropen meint man oft, erste Kreise vor sich zu haben, wenn man nur auf Kleidung und Äußerlichkeiten achtet. Sieht man aber genauer hin, so merkt man an Kleinigkeiten, daß man es mit Menschen zu tun hat, die außerhalb der großen Straße der Gesellschaft laufen. Ich konnte im Augenblick keinen solchen Abenteurer bemerken. Leise sagte ich zu Rolf:
„Du machst ein so bedenkliches Gesicht. Hast du etwas Besonderes bemerkt? lch möchte behaupten, daß das Lokal einen recht guten Eindruck macht und einwandfrei ist. Die Gäste scheinen wirklich nur den besten Gesellschaftsschichten anzugehören."
„Gerade das macht mich stutzig," meinte Rolf. „Bei diesen Gästen hätte es Kü-Mang nicht nötig, sein Lokal auf die Weise anzupreisen, wie wir es erlebt haben. Es empfiehlt sich durch die Besucher selbst. Hier liegt ein Geheimnis zugrunde, das mich beunruhigt. Was meinst du zu dem Chinesen, der uns auf der Treppe empfing?"
„Er schien mir erstaunt zu sein, daß wir zu Fuß kamen," erwiderte ich lachend. „Das scheint bei den Besuchern hier außergewöhnlich zu sein."
„Hast du nicht gesehen, daß er uns erkannte und leise erschrak? Es war nur ein Augenblick. Aber mir genügte er."
„Vielleicht hat er uns nach Bildern in den Zeitungen erkannt," meinte ich. „Dann wäre sein Erstaunen nur natürlich."
„Stimmt," gab Rolf zu, „aber wir müssen alles beachten. Mir wollte es fast scheinen, als wäre sein Erstaunen mit einer kleinen Freude gemischt gewesen."
„Du meinst, daß er uns gewissermaßen erwartet hatte?" fragte ich. „Dann wäre das doch nur so zu erklären, daß uns Kü-Mang den Zettel wirklich durch die junge Inderin zustecken ließ."
„Natürlich muß er darum wissen," meinte Rolf nachdenklich. „Ich bin mir nur noch nicht klar, ob der Zettel für uns bestimmt war oder für Fremde im allgemeinen. Gerade das ist wichtig, denn in diesem Falle müßten wir schon seit unserer Ankunft in Khanpur beobachtet worden sein. Das wäre gefährlich. . ."
Rolf unterbrach sich und erwiderte flüchtig die Verbeugung eines Chinesen, der lautlos neben unserem Tisch aufgetaucht war.
„Gestatten Sie, meine Herren," sagte der elegant gekleidete Sohn des Himmels, „ich bin Kü-Mang, der ergebene Diener der Herren. Ich hoffe, daß mein niedriges Lokal den Herren gefällt."
Trotz seiner ostasiatischen Redeweise machte Kü-Mang keinen schlechten Eindruck auf mich. Er sah intelligent aus. Ich vermißte das ständige Lächeln auf seinem Gesicht, durch das die Asiaten ihre Gefühle und Empfindungen zu verschleiern pflegen.
„Danke für die Nachfrage," sagte Rolf. „Es gefällt uns hier sehr gut, denn das 'niedrige' Lokal scheint von den besten Kreisen besucht zu werden. Sind Sie schon lange Besitzer, Kü-Mang?"
„Seit vier Jahren, meine Herren," sagte der Chinese höflich. „Früher stand hier ein alter Tempel, auf dessen Ruinen ich mein Haus erbaute."
„So, so, ein alter Tempel," meinte Rolf. „Damit werden alte Sagen oder Überlieferungen verknüpft sein. Meist ist es
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