Rolf Torring 082 - Die Tempel-Tänzerin
tapfere Männer sterben sollen. Sie hätten sich nicht in Angelegenheiten mischen sollen, die Sie nichts angehen. Das scheint jedoch ein typisch deutscher Wesenszug zu sein."
Ein großer Inder mit ausdrucksvollem Gesicht, in dem große, dunkle Augen fanatisch leuchteten, stand vor uns. Seine kostbare Kleidung und die Brillantnadel, mit der der Turban gehalten wurde, verrieten, daß es sich nur um den Fürsten Bothia handeln konnte, auch wenn er sich uns nicht vorgestellt hatte. „Und Sanja, wo ist sie?" rief Jörn Farrow erregt.
„Sie wird das Schicksal ihres Vaters teilen," sagte der Inder kalt. „So lange sie lebt, bin ich auf dem Throne meiner Väter nicht sicher. Aber Sie sollen eine Vergünstigung haben: Sie sollen mit Fürst Ghasna und seiner Tochter Sanja zusammen in ein besseres Leben hinüber wandern."
In diesem Augenblick geschah etwas, das ich nie erwartet hätte: der junge Mann sprang plötzlich auf. Vielleicht hatten die indischen Diener ihn schon nicht straff genug gefesselt, weil sie meinten, daß er bei seiner Jugend nicht gefährlich sein könnte. Vielleicht hatten ihm die Sorge um das Schicksal Sanjas und die Wut auf den indischen Fürsten übermenschliche Kräfte verliehen, daß er seine Fesseln weiten und abstreifen konnte.
Ehe Fürst Bothia, der völlig überrascht war, zurückweichen konnte, traf sein Gesicht ein harter Faustschlag des jungen Mannes. So gut gezielt und kräftig war der Hieb, daß der Fürst wie ein leerer Sack zusammen knickte.
Jörn Farrow handelte jetzt so schnell und besonnen, daß er sich meine größte Hochachtung und Bewunderung erwarb. Er bückte sich zu dem stöhnenden Fürsten nieder, riß ihm einen kostbaren Dolch aus dem Gürtel, wandte sich um und sprang auf uns zu.
Zwei Inder warfen sich ihm entgegen, aber mit zwei schnellen Stichen warf Jörn Farrow sie zurück, kniete neben Hein Gruber und Pongo nieder und durchschnitt ihre Fesseln. Er hatte völlig richtig erkannt, daß die beiden Riesen für den Kampf mit den Indern am geeignetsten waren.
Die Diener des Fürsten stürzten sich auf den Sohn des Kapitäns. Da warfen sich der weiße und der schwarze Riese ihnen entgegen. Wenn sie auch unbewaffnet waren, fanden die Inder in ihnen Gegner, wie sie den braunen Gesellen noch nicht vorgekommen waren.
Pongo stieß seinen wilden Urwald-Angriffsschrei aus, der in dem hohen, unterirdischen Raum gräßlich widerhallte. Entsetzt wichen die Inder vor ihm zurück. Aber er hatte den ersten schon gepackt, entriß ihm den blanken Säbel, den er in der Hand hielt, schlug den Mann mit einem Fausthieb nieder und stürzte mit geschwungener Waffe auf die anderen Inder, die laut schreiend zurückwichen.
Auch der lange Matrose hatte bereits einen Inder kampfunfähig gemacht, entriß dem halb Bewußtlosen ebenfalls den Säbel und stürzte sich auf die ihm am nächsten stehenden Diener, die mutiger waren und — wenn auch zögernd — vorrückten.
Jörn Farrow eilte, als er ein wenig Luft um sich geschaffen hatte, auf uns zu und befreite uns mit geübter Hand von den Fesseln. Wir hatten zwar keine Waffen, denn die Inder hatten sie uns abgenommen, als sie uns überwältigt hatten, aber unsere Lage hatte sich durch das blitzschnelle, geistesgegenwärtige Handeln Jörn Farrows doch wesentlich zu unseren Gunsten geändert.
Wie ich in der Eile feststellte, hatten wir etwa noch ein Dutzend Inder als Gegner. Aber sie waren nicht so mutig, wie es fanatische Kämpfer sind, die für eine Idee ihr Leben einsetzen. So konnten sie uns nicht allzu gefährlich werden. Vor allem wichen sie den beiden hünenhaften Gestalten Pongos und Hein Grubers aus, die sie mit den Säbeln hart bedrängten.
Pongo hatte bereits zwei seiner Gegner außer Gefecht gesetzt. Rolf sprang auf den einen der beiden Bewußtlosen zu und nahm ihm den Dolch aus dem Gürtel. Mir gab er den Säbel, der dem Manne entfallen war. Ohne sich um das Kampfgeschehen weiter zu kümmern, kniete Rolf bei dem andern Niedergeschlagenen hin, der zwei Dolche bei sich trug. Rolf nahm sie und übergab sie, kaum daß er sich erhoben hatte, dem Kapitän und dem anderen Europäer, in dem wir offenbar Doktor Bertram vor uns hatten. Sie hatten, da sie viel länger als wir gefesselt gewesen waren, etwas länger gebraucht, um die Hände und Arme wieder frei bewegen zu können.
Jetzt waren wir alle bewaffnet. Die indischen Diener konnten uns so leicht nicht mehr
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