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Rolf Torring 084 - Der Geisterzug

Rolf Torring 084 - Der Geisterzug

Titel: Rolf Torring 084 - Der Geisterzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Warren
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      Rolf ging langsamer. Der Lichtschein wurde heller. Bald konnte ich die Umrisse des Tunnelausgangs erkennen. Pongo trat hinter Rolf ins Freie. Als ich ihm wenige Sekunden später folgte, blieb ich wie angewurzelt stehen.  
      Vor mir breitete sich ein mächtiges, völlig glattes Felsplateau aus, das vom Mondlicht blendend überflutet war. Gegenüber, etwa zweihundert Meter entfernt, erhoben sich wild zerklüftete Felsen, die einen bizarren Eindruck machten. Die Szenerie war schön, aber unheimlich — wie auf dem Theater. Ein Inder hätte zur Nachtzeit kaum diesen Teil des Gebirges betreten. Hier war der Phantasie weiter Spielraum gelassen. Hier mußten Dämonen und Geister leben.  
      Rolf war rechts neben die Tunnelöffnung getreten. Pongo stand links vom Ausgang. Ich befand mich in der Mitte des langen Tunnels.  
      „Die Hochebene vor uns muß früher einmal ein See gewesen sein," flüsterte Rolf. „Der glatte Boden verrät es. Auch die Felswand, an der wir stehen, ist durch das Wasser glatt gewaschen. Der Tunnel zur Todesschlucht muß immer bestanden haben. Aber es ist möglich, daß er künstlich verschlossen werden konnte. Das haben sich vielleicht die Menschen zunutze gemacht, die in der Todesschlucht ihr Gold in Sicherheit bringen wollten. Dann wurde der Tunneleingang wieder geöffnet, die Schlucht füllte sich mit Wasser. Erst nach Jahrhunderten versickerte der See, als er keinen Zufluß mehr erhielt. So kann es gewesen sein. Man hätte sich doch mit geologischen Fragen, mit erdgeschichtlichen Dingen mehr beschäftigen sollen. Diese Wissenschaft gilt immer als trocken, ja als langweilig. Und hier sehen wir, wie gut wir sie gebrauchen könnten. Das geübte Auge des Geologen würde sofort sehen, wie die Entwicklung vor sich gegangen sein könnte, ja wie sie vor sich gegangen sein muß. Wenn es so ist, haben die Leute, die jetzt den Schatz suchen, vielleicht ein Anrecht auf ihn, denn das Wissen um das Geheimnis muß sich von Generation zu Generation fortgeerbt haben."  
      „Wenn deine Vermutung richtig sein sollte," entgegnete ich, „wäre es richtiger gewesen, die Leute hätten sich offen an die englische Regierung gewandt. Dann hätten sie in aller Ruhe, vielleicht mit Unterstützung moderner technischer Hilfsmittel nach dem Erbe der Väter suchen können. Weshalb haben sie den Spuk inszeniert? Sie mußten wissen, daß sie dadurch erst recht die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenken würden."  
      „Die Gründe kann ich dir nicht sagen," meinte Rolf. „Vielleicht soll Holkar Nima nichts von dem Schatz wissen, der auf seinem Gebiete ruht oder geruht hat. Sonst hätte er ihn vielleicht für sich beansprucht Er hat ja das Recht und damit die Macht über das Land. Vielleicht hätte er den Engländen einen Teil zugesichert, damit sie den Schatzsuchern nicht die Erlaubnis erteilten, zu suchen."  
      „So muß es gewesen sein, Rolf! Die Vorfahren des jetzigen Fürsten werden den ursprünglichen Besitzer des Schatzes einmal verjagt haben. Jetzt versucht ein Nachkomme, die Kostbarkeiten seines Ahnen zu heben. Wir sprechen aber über Dinge, die im Augenblick unwichtig sind. Die Zeit verstreicht. Der Morgen kann nicht mehr fern sein. Da verläßt der Geisterzug die Schlucht schon wieder. Es wird also nicht lange dauern, bis er in die Schlucht einreitet. Sicher durch den Tunnel hier. Und wir stehen noch herum!"  
      „Wenn wir die vierzehn Reiter passieren lassen, Hans, die uns keinesfalls hier vermuten, können wir in aller Ruhe nach ihrem Schlupfwinkel suchen und vielleicht die fünf Engländer befreien."  
      „Das wäre ein schöner Erfolg. Um die Sache selbst brauchen wir uns nicht weiter zu kümmern. Die Engländer können entscheiden, wie sie sich den Schatzsuchern gegenüber verhalten. Rolf, dort kommen sie schon!"  
      Aus einer schmalen Spalte zwischen den wilden Felsen uns gegenüber waren Reiter aufgetaucht. Im Mondschein konnten wir deutlich die langen fliegenden Gewänder indischen Schnitts und die weißen und dunklen Turbane erkennen.  
      Wir standen noch im Schatten. Bald aber mußten uns die Reiter erkennen. Nirgends war eine Vertiefung, nirgends ein Spalt zu entdecken, wo wir uns hätten verbergen können. Sollten wir es auf einen Kampf ankommen lassen? Oder beabsichtigte Rolf eine friedliche Unterhandlung?  
      „Komm mit!" rief Rolf. „An der Felswand entlang. Dort springt eine Felsnase vor. Dahinter können wir uns verbergen. Vielleicht kommen wir noch

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