Rolf Torring 125 - Der Unheimliche
„Du könntest die junge Dame eigentlich begleiten, denn es ist sehr dunkel draußen, Hans"
Ehe der Alte einen Einwand wagen konnte, war ich schon hinter dem Mädchen zur Tür hinausgegangen.
Das Mädchen erwartete mich in einiger Entfernung von der Blockhütte und sagte — zu meiner größten Überraschung — bittend zu mir:
„Verlassen Sie sofort die Insel, mein Herr, und nehmen Sie auch Ihren Freund mit! Verraten Sie mich bitte nicht, daß ich Ihnen heimlich die Pistolen wieder zusteckte, als man Sie unten in das alte Bergwerk schaffte. Ich weiß, wo Ihre Freunde sind, und will Sie gern hinführen, wenn Sie mir versprechen, nichts gegen meinen Onkel zu unternehmen."
„Ihr Onkel? Ich denke, es ist Ihr Vater?" fragte ich verwundert.
„Nein, er gibt sich nur dafür aus. Ich bin gezwungen worden, das ganze Spiel hier mitzumachen. Ich weiß, daß Sie sich aus dem Bergwerk gerettet haben, denn ich ließ selbst die Seitentür auf, dachte dabei aber nicht an den Bären. Nehmen Sie sich vor den beiden Chinesen hier in acht, sie sind falsch und werden Sie wahrscheinlich wieder überlisten wollen."
„Keine Sorge, mein Fräulein, die beiden sind schon gefesselt. Doch wo ist der Mann, den ich im Bergwerk durch einen Warnschuss vertrieb?"
„Er bewacht zur Strafe für seine Feigheit Ihre beiden Freunde im Bergwerk, die nicht gefesselt wurden, aber auch keine Waffen mehr haben. Wenn Sie wollen, will ich selber Sie hinunterführen."
„Ist Ihr Onkel eigentlich der ,Unheimliche'?" fragte ich noch schnell, da ich das aufschlussreiche Gespräch nicht ins Endlose ausdehnen wollte.
„Nein, er ist es nicht, mein Herr. Das kann Ich Ihnen schwören. Mein Onkel ist nur dem ,Unheimlichen' völlig verfallen und muß alles tun, was der Mann von ihm verlangt."
„Und wer ist der ,Unheimliche'?"
„Das weiß ich nicht. Aber selbst wenn ich es wüßte, dürfte ich es nicht verraten, da ich einen Schwur getan habe, über alles zu schweigen, was die Person des ,Unheimlichen' betrifft."
„Dann lassen Sie uns zu Ihrem Onkel zurückkehren. Hier ist ohnehin alles erledigt. Kommt denn der ,Unheimliche' heute noch hierher?"
„Bestimmt nicht! Er erscheint nur alle drei Tage und läßt sich zur Insel überholen."
Ich hatte genug gehört und konnte Rolf einen Wink geben, die Sache kurz zu machen. Als wir das Zimmer wieder betreten hatten, sagte ich deshalb laut zu meinem Freunde:
„Rolf, wir wollen hier nicht länger Komödie spielen! Sage Fu Jung die Wahrheit! Dann wollen wir unsere Gefährten aus dem Bergwerk heraufholen."
Fu Jung fuhr vom Stuhl, auf den er sich wieder gesetzt hatte, ruckartig empor. Jetzt erst hatte er erkannt, daß wir über sein wahres Gesicht Bescheid wußten.
Er lief ein paar Schritte ins Zimmer hinein, wohl um nach einer Waffe zu suchen, aber Rolf war schneller, hielt ihm die Pistole entgegen und forderte ihn höflich, aber bestimmt auf, sich wieder an den Tisch zu setzen.
Bevor wir Fu Jung ausfragten, ruderte Rolf in Begleitung des Mädchen über den See, um Professor Kennt und Pongo zu befreien. Er brachte sie bald beide zur Insel zurück.
Professor Kennt war, wie sich denken läßt, außerordentlich wütend auf Fu Jung.
Den Mongolen, der die beiden Gefangenen bewacht hatte, hatte Pongo gleich mitgebracht.
Rolf bestätigte mir, daß der Professor und Pongo das gleiche Erlebnis gehabt hatten wie wir. Sie hatten Rolf während der Überfahrt über den See bereits alles erzählt.
4. Kapitel
In die Falle geraten
Wir hörten uns die Geschichte Fu Jungs an, der durch Zufall mit dem „Unheimlichen" bekannt wurde und jetzt nicht mehr von ihm fort konnte. Er bat uns flehentlich, seinem Bruder in Kirin nichts davon zu erzählen, in welche Gesellschaft er geraten sei. Wir sollten ihm nur Grüße überbringen und bei ihm Wohnung nehmen. Auf diese Weise könne er viel von dem, was er, Fu Jung, uns angetan habe, wieder gutmachen.
Rolf hörte sich die Beichte des Mannes schweigend an. Als Fu Jung geendet hatte, meinte er nur, daß er die Grüße in Kirin bestellen würde.
Später beratschlagten wir, was wir tun sollten. Auf jeden Fall mußte die Polizei in Kirin benachrichtigt werden, andererseits durften wir die Gefangenen auf der Insel sich nicht selbst überlassen.
Schließlich entschloss sich der Professor, als
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