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Rollentausch

Rollentausch

Titel: Rollentausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsay Gordon
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Mädchen am Straßenrand und beobachtete die vorbeiziehende Priesterprozession. Das Mädchen war einen Kopf größer als die anderen Zuschauerinnen, ihr Gesicht war noch schmaler geworden, und ihre Gesichtszüge wirkten wie versteinert. Aber selbst die violette Beule unter ihrem Auge tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Am Abend sprach der Oberpriester mit ihrem Vater.
    »Ihr wollt für sie garantieren?« Ihr Vater lachte höhnisch. »Diese verdammte Katze würde nicht einmal einen Mann anschauen, niemand ist ihr gut genug. Sie macht sie mit ihren Blicken nieder, und sie speit Wörter wie Pfeile. Wer würde sich so einen kaltblütigen Stachel ins Bett legen? Ich kann sie nicht einmal verkaufen.«
    »Vielleicht ist das hier ausreichend?«, fragte der Priester süffisant und nahm ein paar Münzen aus dem Beutel, den er unter dem Gürtel trug.
    »Ein Schnäppchen für die Götter?« Mina trat aus den Schatten und stand wie eine anmutige Säule hinter ihrem am Boden kauernden Vater. »Es scheinen harte Zeiten für die Götter angebrochen zu sein.«
    »Wenn du mit uns kommst, wirst du dich für einige Monate dem Schweigegelübde unterwerfen müssen«, antwortete der Priester und warf den Rest des Geldes aus seinem Beutel auf den Tisch.
    »Fein.« Mina zuckte verächtlich mit den Schultern. »Hol mich aus diesem Höllenloch, ich kann nur in ein besseres kommen. Ich werde meine Zunge hüten, bis die Götter selber zu mir sprechen.«
    »Die Götter werden dein Schweigegelübde annehmen.«
    Ab da blieben ihre Lippen verschlossen.
    Mina begriff schnell, dass Schweigen besser als Reden war. Es schien ihr sicherer zu sein, obwohl es keine Hinweise dafür gab, dass die Priester ihre Leute schlugen. Ihr Schweigegelübde umgab sie wie eine geheime Aura, in die sie sich zurückziehen konnte. Ihre blauen Flecken heilten. Ihre neuen Kleider waren weich, und sie bekam regelmäßig zu essen.
    In der ersten Zeit gab sie sich den verschiedenen Variationen der unbekannten Speisen hin: Sie schmeckte Datteln das erste Mal in ihrem Leben, weiches, süßes Fruchtfleisch, sie trank Milch, so oft sie nur wollte, sie dippte Hirse in Sesamöl, sodass es an ihren Lippen und ihrem Kinn hinunterlief, und sie genoss den köstlichen Wein. Die beiden alten Priesterinnen, die sie beschützten, lachten über ihre Gefräßigkeit. Ihr Gesicht und ihre Figur wurden ein wenig weicher. Minas gesamtes Aussehen veränderte sich; aus dem ausgemergelten, hübschen Mädchen wurde eine feingliedrige und atemberaubende Schönheit.
    Corin sah sie nur selten. Sie verbrachte die meiste Zeit mit ihren Beschützerinnen in ihren vier Wänden oder in deren Innenhof. Sie war ein unschätzbarer Edelstein, reserviert für die Götter. Deshalb wurde sie auch beschützt.
    Am besten gefielen ihr die Bäder. Eine heiße Quelle sprudelte schäumend aus einer Höhle ans Tageslicht. Weit hinten in der Höhle war das Wasser tief, dunkel und heiß. Beim ersten Mal erschrak sie, weil sie an ihren Geheimplatz mit Corin erinnerte wurde, auch wenn dies hier keine Felsenhöhle war. Gleißend hell brennende Fackeln steckten in Halterungen an den Wänden. Ihr Licht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und in den aufwändigen Mosaiken an den Seiten. Mina glitt in die sinnliche Wärme und streckte sich auf einem vom Wasser umspülten Felsvorsprung aus. Sie gab sich ganz dem Augenblick hin und reinigte sich mit der Lauge, die man ihr gab, bis der Dreck von Jahren von ihr abschmolz.
    Sie war der Quelle verfallen. Im Halbdunkel sah sie ihre goldene Haut im Wasser schweben, reif und glühend. Die Hitze durchdrang sie, so wie sie sich einst danach gesehnt hatte, dass Corin sie durchdrang. Fast jeden Tag wanderte sie über den Pfad zur Höhle. Die Priesterinnen folgten ihr seufzend. Das Spielzeug der Götter musste nachsichtig behandelt werden. Wenn sie murrten, wandte Mina ihnen ihr friedvolles, stilles Gesicht zu und schaute sie verklärt an. Sollten sie doch glauben, dass die Götter sie leiteten. In Wirklichkeit war sie längst genesen, und ihr Körper veränderte sich wie bei jeder jungen Frau. Das köstliche Wasser verursachte wirre Träume in ihrem Kopf. Die Wahrheit war, dass sie nackt sein wollte.
    Während die beiden alten Frauen mit dem Rücken zum Wasser saßen und sich murmelnd unterhielten, schwirrten Minas Gedanken zu den Priestern. Manchmal sah sie ihnen vom Fenster aus zu, wenn sie langsam, besonnen und friedlich wie Eunuchen, umhergingen. Aber nach der Mondfinsternis änderte

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